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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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verharren, an der Wurzel des
Problems, wo deine Einschränkungen dich beschützen.«
    »Du liest zu viel
Foucault«, sagte Affenlight.
    »Das kann man gar
nicht. Und komm mir nicht mit Platitüden.«
    Dass er Tokio erwähnt,
diese Worte in dieser Reihenfolge ausgesprochen hatte – Was,
wenn du mit mir nach Tokio kommen würdest?  –, brachte Affenlight
vollends durcheinander. Möglich war es, das war es tatsächlich. Er könnte ein
Sabbatjahr nehmen, vorgeben, ein Buch zu schreiben, und stattdessen mit Owen
als seinem furchtlosen Führer durch Japan gondeln – buddhistische Tempel,
Neon-Kätzchen, Grüntee, der Fuji und die winzige Insel, auf der zwei seiner
Onkel gestorben waren. Wie Bill Murray in diesem Film, den er ebenso wenig
gesehen hatte wie Und täglich grüßt das Murmeltier ,
mit dieser kurvenreichen Blondine und der Hotelbar, Mai bis Dezember in einem
weit entfernten Land.
    »Versteh mich nicht
falsch«, fügte Owen hinzu. »Ich melde hier nicht irgendwelche Ansprüche an. Ich
sage nicht einmal, dass ich dich mag. Aber warum sollte ich mit jemandem
zusammen sein wollen, egal für wie lange, mit dem ich nirgendwo hingehen kann? Ich will leben, Guert. Ich will mich nicht in deinem Büro
verkriechen. Die erste Woche hat es Spaß gemacht.«
    Er verschränkte die
schlanken Arme, um anzudeuten, dass er die Gesprächsführung abgegeben hatte und
nun auf Affenlights Antwort wartete. Als Pädagoge würde er eine großartige
Figur machen, sollte er diesen Weg einschlagen. Andererseits würde er in jedem
Bereich eine großartige Figur machen. Vom Unfall war ihm lediglich ein
stahlblauer Streifen geblieben, der wie geschminkt aussah und seine Augenhöhle
seitlich und am unteren Rand akzentuierte. Affenlight rutschte im Sessel hin
und her. Er wusste, dass das hier seine Prüfung war, dass er eigentlich Fragen
beantworten sollte, statt welche zu stellen, aber er war erschöpft, fühlte sich
in seinem Sessel wie begraben und konnte nicht anders. »Was soll ich tun?«
    Owen entknotete die
Arme, befreite sich aus seiner Dozentenpose. Seine Augen blitzten dunkel. »Wenn
ich du wäre, würde ich mich zum Abendessen einladen. Ich würde ein schönes Hemd
anziehen, passend zu meiner Augenfarbe, mich in meinem silbernen Audi abholen
und mir etwas über Opern beibringen, während ich mich durch die dunkle
Landschaft zu einem Freitagabend-Bratfisch in irgendeinem kleinen Ort mitten in
der Walachei kutschieren würde.«
    »Du magst gar keinen
Fisch«, sagte Affenlight.
    »Ich weiß. Aber ich
wäre von der Einladung so hingerissen, dass mir das egal wäre. Und dann würde
ich mich zu einem Motel bringen, dort die Heizung abdrehen, mit mir ins Bett
kriechen und die ganze Nacht Kabelfernsehen gucken, wie das mündige Bürger
ruhig ab und an mal tun können, auch wenn sie Fernsehen normalerweise hassen.
Und ich würde mich die ganze Nacht im Arm halten und mich aufs Ohr küssen und
mir die Gedichte vortragen, die ich auswendig kann, und mich mit ekelhaften
Industrie-Snacks aus dem Automaten füttern, weil ich den Fisch nicht angerührt
hätte. Und am Morgen würde ich mich früh genug zurückbringen, um es noch
rechtzeitig vor dem Spiel zum Mannschaftsfrühstück zu schaffen.«

41
    —
    Pella lief, nachdem sie geduscht und sich angezogen, ihre
Haare getrocknet und sich geschminkt hatte, in der Wohnung auf und ab und
wartete auf Davids Rückkehr. Inmitten des Durcheinanders aus Papieren auf dem
Schreibtisch ihres Vaters im Arbeitszimmer lag ein halbvolles Päckchen
Parliaments. Er rauchte tatsächlich wieder, wie sie bereits vermutet hatte;
irgendetwas war mit ihm. Sie musste unbedingt dafür sorgen, dass er wieder
aufhörte, auch wenn das bedeutete, seinen Arzt anzurufen und ihn anzuschwärzen.
In der Familie Affenlight war Rauchen absolument interdit .
    Sie selbst hatte nie richtig geraucht, nicht seit der Highschool
jedenfalls, aber eine Zigarette würde ihre Nerven jetzt beruhigen. Mit der
unversehrten Hand klopfte sie eine aus der Packung, und es gelang ihr, sie mit
einem Streichholz anzuzünden, ohne den noch immer feuchten Nagellack zu
verschmieren. Sie öffnete das Fenster. Kaum hatte sie sich vorgebeugt, um den
Rauch hinauszublasen, trat ihr Vater aus der Tür des Gebäudes schräg gegenüber.
Die Geographie des Campus war ihr noch nicht recht geläufig – in ihrem
verwitterten grauen Stein sahen alle Gebäude gleich aus –, aber sie war sich
ziemlich sicher, dass es sich dabei um ein Wohnheim handelte, dasselbe, auf

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