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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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dann so finster?«
    »Ach, nur so. Ich habe
dich heute vermisst.«
    »Ich dich auch.«
    Owen reichte Affenlight
eine Tasse Tee, wuschelte ihm durchs Haar, beugte sich vor und küsste ihn auf
die Stirn. Affenlight fühlte sich unweigerlich wie ein Kind, das getröstet
wurde, weil sein Goldfisch gestorben war. »Es wäre schön gewesen, wenn du es
mir gesagt hättest.«
    »Was gesagt?«
    »Dass du zum Training
gehst. Du musst es doch vorher gewusst haben.«
    »Ich wusste nicht, dass
der Arzt mir grünes Licht geben würde. Und dann sind Mike und ich gleich zum
Training gefahren.«
    »Mike hat dich
gefahren.«
    »Ja.«
    An diesem Detail war
eigentlich nichts Bemerkenswertes, aber jede Silbe, die Owen aussprach, hatte
etwas Unheilvolles an sich. »Du kommst jeden Tag«, sagte Affenlight. »Also
erwarte ich dein Kommen natürlich.«
    »Es war doch bloß der
eine Tag.«
    »Na ja, carpe diem , wie es so schön heißt. Ein Tag ist ein Tag. Es
sind nicht beliebig viele.«
    »Guert, sei nicht
sauer. Ich meine, warum auch? Weil an einem Nachmittag mein Terminplan mal
nicht mit deinem übereingestimmt hat? Weißt du, du hast mich noch nie besucht. Und es ist das erste Mal überhaupt, dass du
anrufst, und dann auch nur, um mit mir zu schimpfen.«
    »Ich schimpfe nicht mit
dir. Das ist nicht –«
    »Glaubst du, das hier
ist wirklich das, was ich will? Heimlicher Oralsex im Büro, wie in irgendeinem
Wichsfilm?«
    Affenlight war perplex.
»Ich finde nicht, dass es darum geht.«
    »Und worum geht es
deiner Meinung nach?« Owen stand vor seinem Schreibtisch, Steißbein und
Handflächen ruhten an der hölzernen Kante, die langen Beine waren auf Knöchelhöhe
übereinandergeschlagen. Affenlight erkannte die Körperhaltung: Es war die eines
Leitenden Dozenten. Was Affenlight, der zappelig und schlecht vorbereitet auf
seinem geborgten Sessel hockte, zum Studenten machte. »Ich kreuze bei dir auf,
wir lesen und machen Smalltalk, blasen uns gegenseitig einen, rauchen eine
Zigarette, ich gehe wieder. Du machst das Sofa mit Allzweckreiniger sauber, und
es geht von vorn los. Es ist wie Und täglich grüßt das
Murmeltier als Schwulenporno.«
    »Wir … Ich mache das Sofa
nicht sauber«, protestierte Affenlight. »Ich … Wir trinken Kaffee .«
Es klang flehentlich und dümmlich, wie er diese drei schlichten Worte, diese
banale Tätigkeit, mit all dem Gewicht und Gefühl aufzuladen versuchte, die sie
für ihn hatte.
    »Die ganze Welt trinkt
Kaffee«, sagte Owen.
    Affenlight blickte
sehnsüchtig zu der Flasche Scotch hinauf, die auf dem Sims des stillgelegten
Kamins stand, und bemerkte dabei ein vertrautes dickes marineblaues Buch, das
daran lehnte. Der verdammte Registerband, dachte er. Mein verdammtes
zwanzigjähriges Ich. Er stellte sich vor, wie sein jüngeres Selbst in seinem
dritten College-Jahr mit Owen händchenhaltend die gitterartig angeordneten Wege
entlangschlenderte, sie sich auf der Treppe zur Bibliothek einen Joint teilten,
sich im Café Oo gegenseitig Tee einschenkten und im cineastischen Licht ihrer
Campus-Prominenz badeten. Er selbst konnte es sich schwer vorstellen, aber es
fiel ihm schmerzhaft leicht, sich vorzustellen, dass Owen es sich vorstellte.
    »Guert? Hörst du mir
überhaupt zu?«
    »Ja«, sagte Affenlight
bedrückt.
    »Und?«
    »Und ich bin sechzig
Jahre alt. Nächste Woche werde ich einundsechzig.«
    »Das stimmt«, sagte
Owen. »Aber ich weiß nicht so recht, was das mit dem zu tun hat, worüber wir
hier reden.«
    »Und das wäre?«
    »Die Tatsache, dass an
unserer Beziehung nichts, aber auch gar nichts normal ist. Wir waren noch nie
zusammen essen. Oder im Kino. Wir haben uns noch nicht mal einen Film ausgeliehen .«
    »Ich mag keine Filme.«
    Owen lächelte. »Weil du
ein spießiger Amerikanist bist. Aber ich komme mir wie ein Stricher vor, wenn
ich jeden Nachmittag in dein Büro komme. Ein schlecht bezahlter obendrein.«
    »Es ist nicht so, dass
ich mir all das nicht wünschen würde«, sagte
Affenlight. »Das tue ich.«
    »Aber?«
    »Aber … es ist heikel.«
    »Ich weiß, dass es
heikel ist. Ich weiß, dass wir nicht einfach Hand in Hand herumlaufen können.
Es gibt Einschränkungen. Meine Sorge ist, dass du diese Einschränkungen
praktisch findest. Oder sogar notwendig. Was, wenn wir in New York oder San
Francisco wären, oder um die Ecke in Door County? Was, wenn du mit mir nach
Tokio kommen würdest? Würdest du dann mit mir die Straße entlanggehen? Oder
wäre dir das zu schwul? Besser einfach hier

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