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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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das
Henry vergangene Nacht gezeigt hatte, als er ihr angeboten hatte, Eis zu holen.
Ihr Vater sah nach links, nach rechts und wieder nach links, wie eine Figur aus
einem Film noir, die sich verfolgt fühlte. Dann eilte er über den Hof in
Richtung des Wirtschaftswegs hinter dem Speisesaal, wo sein Parkplatz war.
    Dreieinhalb Minuten
später, als sie gerade die Zigarette am Fensterrahmen ausdrückte, kam aus
derselben Tür Owen Dunne – was Sinn ergab, da Henry und Owen Zimmergenossen
waren, auch wenn es nicht erklärte, was ihr Vater dort gemacht hatte. Vielleicht
war es ein gemischt genutztes Gebäude. Vielleicht hatte er Eis gebraucht.
    Unten klingelte es;
David war da. Unheilvolle Musik setzt ein. Sie rannte
ins Badezimmer, um mit Mundwasser zu gurgeln.

42
    —
    In Davids gemietetem Hybridauto fuhren sie zum Maison
Robert, dem gehobenen, gleichzeitig etwas heruntergekommenen französischen
Lokal, in das sie während der Schulferien mit ihrem Vater immer gegangen war.
Es fühlte sich gut an, unter Erwachsenen zu sein, auch wenn es sich dabei nur
um David und eine Handvoll Gelehrte handelte, deren beste Jahre bereits eine
Weile zurücklagen, wenn es sie denn je gegeben hatte, und die ein Winter zu
viel in Nord-Wisconsin hatte bleich werden lassen. Maison Robert war so etwas
wie der offizielle Club des Westish-Lehrkörpers. Kahle Köpfe glänzten in den
gelblichen Lichtpfützen, Brillen mit Drahtgestellen warfen forschende Blicke in
die noch immer schwarzen Speisekarten, und Schwenker mit bernsteinfarbenem
Brandy stießen gegen zwiebelförmige Kelche voll tiefrotem Wein. Pellas Oral-History-Professorin,
die absurd schicke Judy Eglantine, die so überhaupt nicht nach Wisconsin
passte, aß, in etwas enges Schwarzes gekleidet, in einer Ecke allein zu Abend,
vor sich ein offenes Buch. Anstelle einer Begleitung hing über dem Stuhl ihr gegenüber
eine lindgrüne Federboa. Ihre Blicke trafen sich, und Pella winkte ihr
schüchtern zu, während David ihren Stuhl mit der üblichen hölzernen
Zuvorkommenheit zurückzog. Professorin Eglantine lächelte.
    Mit einer ungeduldigen Geste winkte David den Kellner herbei und
begann ihn, ohne zuvor einen Blick in die Karte geworfen zu haben, über die
Weine auszufragen. Der Kellner war in Pellas Alter, hatte aber flaumiges
albinoblondes Haar, als hätten die Winter auch ihn gebleicht und alt werden
lassen. Er murmelte ein paar Mal Barrique und würzig . David bestellte einen Bordeaux.
    »Woher weißt du, was
ich will?«, sagte Pella. »Vielleicht würde ich lieber einen Weißwein trinken.«
    »Er ist gut.« David
blickte zu dem herbeieilenden Kellner auf, der schon völlig verschüchtert und
devot war. »Ah, merci – la dame le goûtera«, sagte
er, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass der arme Kerl Französisch sprach,
ziemlich gering war.
    Pella lehnte sich
zurück, damit er ihr einschenken konnte, und ließ dann die Barrique-Würze des
Weins in ihrem Mund zirkulieren. David wusste über Wein Bescheid, wie er über
Architektur und Altgriechisch Bescheid wusste und ebenso darüber, wie man eine
Küche verkabelte oder einen Investmentfonds aussuchte. Sie nickte. »Sehr gut.«
    »Das ist ein hübsches Kleid«,
sagte David.
    »Danke.« Sie trug das
lila Kleid, das ihr Vater ihr gekauft hatte. Bei einem Date mit Mike hatte sie
es bislang noch nicht getragen, aber Mike und sie waren ja auch seit jenem
ersten Abend im Carapelli’s nicht mehr auf einem Date gewesen, es sei denn, man
zählte es als Date, wenn man im Bett Kräcker aß oder im Bartleby’s dabei
zuschaute, wie Mike Ein-Dollar-Bierkrüge vernichtete.
    »Die Farbe passt gut zu
deinem Finger«, sagte David. »Wie ist das noch mal passiert?«
    »Bin gegen einen Baum gelaufen.«
    »Ach ja. Die Gefahren
des Collegelebens.«
    Davids Sinn für Humor
war eigenartig und mechanisch, so als habe er ihn aus einem Buch, aber selbst
das Mechanische konnte im Laufe der Zeit lustig wirken. Er schien auch besser
angezogen zu sein – vielleicht suchte jemand anders ihm die Sachen aus. Oder
vielleicht war er auch nur im Vergleich zu Mike gut angezogen: Die Socken
passten zueinander, und er trug ein Jackett. Er war schmal gebaut, besonders im
Vergleich zu na-wem-schon, aber das Jackett war neu und stand ihm gut. Der
Kellner erschien, um ihnen lautlos Wein nachzuschenken. Sie mochte das, denn so
konnte man nicht zählen, wie viele Gläser man bereits getrunken hatte.
    Der Tisch war für vier
Personen eingedeckt, obwohl sie nur für drei

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