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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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markierte die Stelle in seinem Buch mit einem
Cocktailstäbchen. »Was machst du denn hier?«
    Henry zuckte mit den
Schultern. »Rumhängen.«
    Lopez nickte beifällig
und ließ einen Bierdeckel durch die Luft segeln, der neben Henrys Ellbogen
landete. »Also, was kann ich dir antun?«
    Henry schaute die lange
Reihe von Zapfhähnen entlang. Er hatte bei Mannschaftsfeiern genug Bier
getrunken, um zu wissen, wie schlecht es schmeckte. Aber alles andere schmeckte
noch schlechter.
    »Weißt du was«, sagte
Lopez. »Ich mixe dir einen Drink. Ist mein erster Tag hinter der Theke, ich
muss üben.«
    Henry suchte in Lopez’
Gesicht nach Anzeichen dafür, dass er wusste, was am Samstag passiert war. Er
fand keine. Und doch musste Lopez es wissen. Alle wussten es. Die halbe Schule
war dort gewesen, und die andere Hälfte würde es gleich darauf erfahren haben.
Tief im Inneren verabscheute Henry diese Freundlichkeit, dieses Hey, Skrim, mit dem Lopez kaschierte, dass Henry ihm
leidtat, er sich ihm überlegen fühlte oder was auch immer. Warum sagten die
Leute nicht einfach, was sie dachten? Andererseits wollte Henry eigentlich auch
nicht darüber reden, und dass Lopez ihm etwas vorspielte – wenn er das tat –,
konnte man auch als eine Form von Höflichkeit werten. Vielleicht aber wusste er
auch wirklich von nichts. Ein Pintglas erschien auf dem Bierdeckel, gefüllt mit
Eis und einer tintigen Flüssigkeit. Henry nahm einen kleinen Schluck durch den
dicken blauen Strohhalm.
    »Na, wie habe ich das
gemacht?«
    Beim Schlucken musste
Henry husten; er hielt die Hand vor den Mund, damit Lopez nicht sah, was er für
ein Gesicht machte. »Gut«, sagte er. »Perfekt.«
    Lopez grinste stolz.
»Meine Variante eines Long Island Ice Tea. Hab ihn leicht ins Maskuline
verschoben.«
    Henry glotzte auf den
riesigen Fernsehschirm hinter der Bar, auf dem ein Gewichtheberwettkampf zu
sehen war, während Lopez sich über die Barkeeper-Schulung ausließ. Die
flackernden Lichter auf dem Schirm fesselten seinen Blick, Lopez’ monotone
Stimme drang leise an sein Ohr, und der Drink verschwand innerhalb einiger
gedankenloser Züge am Strohhalm. Lopez mixte noch einen zweiten und stellte ihn
auf den Bierdeckel. Draußen wurde es dunkel. Billardkugeln klackerten
gegeneinander. Die Bar begann sich zu füllen. Lopez dimmte das Licht, bis der
Raum in einem nächtlichen Grünschimmer versank, durchbrochen vom grellen Rot
und Blau der leuchtenden Bierreklamen.
    »Hey, Skrim«, sagte er.
»Würdest du für mich die Jukebox anschmeißen?« Er schob einen
Zehn-Dollar-Schein über den Tresen. »Vielleicht eher was Ruhiges. Ist ja noch
früh.«
    Henry ging zur Jukebox,
schob die Banknote hinein und drückte ein paar Knöpfe, mit denen sich die
laminierten Listen durchblättern ließen. Der einzige Bandname, den er kannte,
war U 2 – das war ruhig,
oder? Er wählte ein paar U 2-Songs und hatte immer noch Geld für zwanzig Stücke übrig. Blätter,
blätter, blätter. Die einzigen Lieder, die er kannte, waren die, die Schwartz
laufen ließ, während sie Gewichte stemmten, und die waren alles andere als
ruhig. Er gab auf und ging zu den Toiletten.
    An einer Korktafel über
den Urinalen waren die Sportseiten aus USA Today und
dem Westish Bugler angepinnt. »Endlich angekommen!«
lautete die Balkenschlagzeile des Bugler , darunter
ein halbseitiges Foto der Harpooners, die mit erhobenen Armen und schreienden
Mündern das Spielfeld von Coshwale stürmten. Selbst Owen sah begeistert aus.
Wie jeder Artikel über die Mannschaft trug auch dieser den Namen Sarah X. Pessel in der Verfasserzeile:
    COSHWALE, IL – Nicht ein
einziges Mal war es ihnen in mehr als einhundert Spielzeiten gelungen, einen
Conference-Titel zu gewinnen. Ihre Kontrahenten, die Coshwale Muskies, hatten
im selben Zeitraum neunundzwanzig ergattert, darunter einmal vier in Folge. Von
Henry Skrimshander, dem Shortstop-Star, fehlte jede Spur.
    Es spielte keine Rolle.
    Am Sonntagnachmittag setzte die Mannschaft aus Westish
ein Ausrufezeichen hinter ein Jahrhundert der Enttäuschungen, nachdem sie die
favorisierten Muskies mit 2:0 und 15:1
erfolgreich harpuniert hatten und sich zum ersten Mal die Krone des UMSCAC aufsetzen konnten. Als Speerspitze der erlösenden
Partie fungierte Kapitän Mike Schwartz, dem zwei Home Runs gelangen und der als
Batter sieben Punkte vorbereitete, während Adam Starblind, der Junior
Pitcher/Center Fielder mit den blonden Locken und dem stolzierenden Gang eines
Filmstars, vier

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