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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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lassen, selbst wenn die Kosten-Nutzen-Analyse ergab, dass sie sich
erst rentieren würden, wenn seine prognostizierte Lebensspanne längst geendet
hatte. Er würde die Prognosen der Versicherungsmathematiker sprengen, würde
sie, von ihrer eigenen Nutzlosigkeit deprimiert und beschämt, auf die Plätze
verweisen und auf dieser wundervollen Erde bleiben, bis seine ingeniösen,
verantwortungsvollen, nicht-völlig-unerschwinglichen Solarzellen die Arbeit
Tausender, Zehntausender Fässer kriminellen Öls verrichtet hatten. Und zu
diesem Zeitpunkt wären Owen und Pella selbst schon mittleren Alters, die
globale Erwärmung – wie Owen jetzt sagte, obwohl Affenlight nur noch halb
zuhörte – hätte die Verheerungen in den armen äquatorialen Regionen der Welt
beschleunigt, und geopolitisch betrachtet wäre – wie Owen jetzt hinzufügte, und
Affenlight spitzte wieder die Ohren, weil Owen so selten fluchte – so richtig
die Scheiße am Dampfen. Selbst als Affenlight der Schlaf übermannte und den
Bereich des Möglichen weitete, um Platz für Träume zu schaffen, sah er keine
Möglichkeit, Owens Worte in ein rosiges Bild der Welt nach Affenlights Tod zu
integrieren, einer Welt, in der Pella und Owen und alle Kinder, die Pella eines
Tages haben würde, leben müssten, aber wenigstens konnte er ihr (und vielleicht
ihnen beiden, wenn sie es sich in irgendeiner Form teilten, denn wer konnte
schon wissen, ob sie nicht doch noch eines Tages enge Freunde werden würden)
ein hübsches weißes, mit Solarzellen ausgestattetes Haus am See im
nordöstlichen Wisconsin hinterlassen, denn wenn die Sommer erst ruiniert, die
Küsten überschwemmt, der Anbau von Monokulturen gescheitert und die politischen
Machthaber in Streit und Panik geraten waren, wie Owen es jetzt mit seiner
sonoren Karamellbonbonstimme in furchterregender Präzision beschrieb, war das
nordöstliche Wisconsin vielleicht nicht der allerschlechteste Ort.

68
    —
    Henry stand in der Küche von Pella, Noelle und Courtney,
spülte und trank die erste Tasse der Kanne Kaffee, die er gekocht hatte. Er
hatte angefangen, Kaffee zu trinken, seit er hier war. Es vertrieb die Zeit.
Als er mit dem Geschirr fertig war – es waren nur ein paar Gläser und Becher,
denn Pella aß auf der Arbeit, und Noelle und Courtney ernährten sich von
Rotwein und Red Bull –, sprühte er die Spüle mit bleichendem Reinigungsmittel
ein und wischte mit einem Schwamm nach. Das durchs Fenster fallende
spätnachmittägliche Licht nahm an Intensität stetig ab, war aber noch eher
gold- als teefarben. Es war jene fragile Stunde des Tages, während der er sich
ganz gut fühlte. Die Stunde, in der er das Bett und, wenn er merkte, dass
Noelle und Courtney nicht zu Hause waren, sogar Pellas Zimmer verließ.
    Er wrang den Schwamm aus und legte ihn auf den hinteren Rand der
Spüle. Nur noch wenige Minuten, bevor das Licht schwand. Hätte er seinen Tag
früher begonnen – um acht vielleicht oder wenigstens um zehn oder um zwölf –,
wäre es ihm heute vielleicht richtig gut gegangen. Es wäre klug, morgen früh
aufzustehen. Morgen
stehe ich früh auf , dachte er und lächelte dann in sich hinein,
weil er sich gut fühlte durch den Kaffee und weil er sich gestern dasselbe
Versprechen gegeben hatte und vorgestern und vorvorgestern, sodass es zu einem
persönlichen Running Gag geworden war.
    Er entfernte die kleine
Krone aus geronnener oranger Seife von der Spülmittelflasche. Wenn Noelle und
Courtney zu Hause waren, oder wenn er das Gefühl hatte, sie könnten zu Hause
sein, versteckte er sich in Pellas Zimmer und pinkelte in eine
Gatorade-Flasche. Pella schien es nichts auszumachen. Nicht das mit dem Pinkeln
– davon wusste sie nichts –, sondern seine Anwesenheit im Allgemeinen. Sie
schien damit kein Problem zu haben. Er dachte an die Odyssee, die er in
Professor Eglantines Kurs zur Hälfte gelesen hatte – Odysseus, der, gefangen
auf Calypsos Insel, Zeit totschlug. Aber er war kein Odysseus, hatte kein
Ithaka, in das er zurückkehren konnte, selbst wenn sein Bart dunkler und voller
geworden war, als er es erwartet hatte, ein rauer brauner Bart, der nach einem
oder zwei Monaten denen glich, die die Statuen von Odysseus schmückten, oder
dem der Melville-Statue, die in der Ecke des Kleinen Hofes stand und auf den
See hinausblickte.
    Aus Langeweile öffnete
er die Speisekammer. Viel war nicht darin. Olivenöl, Salz und Pfeffer, mädchenhafte
Proteinriegel in pastelliger Folie. Mit Proteinen

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