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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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reden.«
    »Sehr gut.« Sie deutete
auf den Resopal-Tisch mit den drei passenden Stühlen. »Setz dich.«
    Henry setzte sich.
Pella nahm einen Becher aus dem Geschirrschrank und goss sich Kaffee ein. Sie
setzte sich ebenfalls und umschloss den Becher mit beiden Händen. Ihr Gesicht
wirkte schmaler als an dem Tag, an dem Henry sie zum ersten Mal gesehen hatte,
schmaler, aber auch gesünder. Er überlegte, um ihre Hand anzuhalten. Es war ein
müßiger Gedanke, ein Was-wäre-wenn-Gedanke, so wie er sich manchmal, wenn sein
Gesicht dem von Owen sehr nah gekommen war, überlegt hatte, was wäre, wenn sie
sich küssten.
    »Henry, was machst du
hier? Und sag jetzt nicht, spülen.«
    Er schaute auf das
Spülbecken, den Schwamm, den noch tropfenden Wasserhahn. »Es gefällt mir hier.«
    »Nein, das tut es
nicht«, sagte Pella. »Aber darum geht es nicht. Wir haben darüber gesprochen,
weißt du noch? Wir waren uns einig, dass du nicht den ganzen Tag hier
herumhängen kannst. Wegen dir fliegen wir noch raus. Und wo sollen wir dann
hin?«
    Henry nickte.
    »Wieso nickst du
jetzt?« Pella hob die Stimme. »Das war keine Ja-Nein-Frage.«
    Er hörte auf zu nicken.
Pella schaute in ihren Kaffee. »Tut mir leid«, sagte sie. »Was ich sagen
wollte, ist, dass ich heute mit Spirodocus gesprochen habe, und er fände es
toll, wenn du wieder zur Arbeit kämest. Du weißt, wie sehr er dich mag. Und du
weißt, wie viele Leute um diese Jahreszeit kündigen. Schönes Wetter. Abschlussklausuren.«
    Henry sah sie an.
    »Es war noch nicht mal
meine Idee. Spirodocus ist auf mich zugekommen.«
    Er schüttelte den Kopf.
»Ich kann nicht.«
    »Ich weiß, dass du
niemanden treffen willst. Aber das müsstest du auch nicht. Wir hätten zusammen
Schicht. Ich würde mich um die Salatbar, die Saftmaschinen und den ganzen
anderen Kram im Speisesaal kümmern. Du könntest hinten bleiben und spülen. Du
würdest ein bisschen Bewegung kriegen. Ein bisschen Geld verdienen.«
    »Ich kann nicht«, sagte
Henry. »Noch nicht.«
    »Okay«, sagte Pella.
»Okay. Dann habe ich noch einen anderen Vorschlag. Lass mich ausreden, okay?«
Sie griff in die Tasche ihres Sweatshirts, zog eine kleine Phiole mit
himmelblauen Tabletten heraus, nahm den Deckel ab und schüttelte eine der
Pillen in ihre Hand.
    Henry schüttelte den
Kopf.
    »Die helfen«, sagte
Pella. »Ich weiß, wovon ich rede.«
    »Ich will nicht, dass
sie helfen.«
    »Du musst keine Angst
davor haben. Sie verändern nicht deine Persönlichkeit oder so. Du bist immer
noch du. Du bist sogar mehr wie du.« Gott, dachte
Pella. Ich sollte einen Werbespot drehen.
    »Irgendwas machen die
mit einem.«
    Es wurde dunkel in der
Küche. Pella stand auf, brachte die Kaffeekanne an den Tisch, füllte beide
Becher auf, setzte sich wieder.
    Eine Pille war das
Gegenteil von dem, was er wollte. Eine Pille war eine Antwort, an der jemand
anders hart gearbeitet hatte. Das wollte er nicht. Eine Pille war klein und
wirksam. Er wollte etwas, das groß und leer war. Er hatte beschlossen, keinen
Kaffee mehr zu trinken, und schon jetzt verursachte ihm der Duft, der von
seinem Becher aufstieg, Übelkeit. Er bedeckte ihn mit der Hand, ließ den Dampf
an seiner Handfläche kondensieren.
    »Sag was.« Pella sah
ihn an, die Wange in die Hand gestützt. »Sprich mit mir.«
    Er war noch nie in der
Lage gewesen, mit jemandem zu sprechen, nicht richtig. Worte waren ein Problem, das Problem. Worte waren auf irgendeine Art
beschmutzt – oder nein, er war auf irgendeine Art
beschmutzt, beschädigt, unvollkommen, weil er nicht wusste, wie man Worte
einsetzte, um etwas Besseres als »Hi« oder »Ich habe Hunger« oder »Ich nicht«
zu sagen. Alles, was ihm je widerfahren war, war in ihm gefangen. Jedes Gefühl,
das er jemals gefühlt hatte. Nur auf dem Spielfeld war er in der Lage gewesen,
sich auszudrücken. Abseits des Spielfelds gab es keine andere Möglichkeit, als
sich mit Worten auszudrücken, wenn man nicht irgendein Künstler oder Musiker
oder Pantomime war. Was er nicht war. Nicht dass er sterben wollte. Darum ging
es nicht. Darum ging es nicht, wenn er nichts aß. Und es ging auch nicht um
Perfektion.
    Was hätte er ihr
gesagt, hätte er aus freiem Herzen sprechen können? Er wusste es nicht.
Sprechen war, wie einen Baseball zu werfen. Es ließ sich nicht vorausplanen.
Man musste einfach loslassen und sehen, was passierte. Man musste mit Worten
werfen, ohne zu wissen, ob irgendjemand sie auffangen würde – man musste mit
Worten werfen,

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