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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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hinunter. »Skrimshander?«
    »Ja.«
    Der Fahrer ließ den
Kofferraumdeckel aufspringen. Henry sagte, dass er auf jemanden warte. Der
Fahrer fragte, Du bist doch Skrimshander, oder nicht? Von der Kapelle her meldete ein einzelner, schwermütiger Glockenschlag, dass es
Viertel nach sechs war; President Affenlight hatte sechs Uhr gesagt. Vielleicht
hatte Henry ihn auch missverstanden. Vielleicht hatte Affenlight gar nicht
vorgehabt mitzukommen. Es dauerte nur einen Augenblick, die Tasche in den
Kofferraum des Wagens zu hieven und hinten einzusteigen. Als der Fahrer erst
einmal die schwere, schalldämmende Tür geschlossen hatte, gab es kein Zurück
mehr.
    »Ich soll dir von ihm
viel Glück wünschen«, sagte Henry.
    »Glück? Glück brauche
ich nicht. Es ist allerdings unglücklich, dass Guert nicht kommen konnte.«
    Die Führung der
Harpooners hielt bis zum dritten Inning vor. Dann wurde ein Amherst-Schlagmann
vom Pitcher am Körper getroffen und durfte zur First Base vorrücken, die er
nach einem Hit in Richtung Second verließ, und nachdem sich ein weiterer
Schlagmann vorsätzlich out machen ließ, damit der erste sicher die Home Plate
erreichte, stand es Unentschieden. Um ein Haar wäre es für Westish noch
schlechter ausgegangen, dann aber tauchte Izzy – die Läufer auf First und Third
waren bereits draußen – nach einem Ball, der zwischen Shortstop und Third Base
hindurchflog, und schlenzte ihn, noch flach auf dem Bauch im Gras des Outfield
liegend, zu Ajay hinüber, der die Spieler out machen konnte.
    »Er ist kein
Skrimshander«, sagte Asch. »Aber er ist schon verdammt gut.«
    Izzy kam auf den
Unterstand zugerannt, drosch die Faust in die Fangtasche seines Handschuhs und
brüllte, wie man es tut, wenn ein großartiger Spielzug das Blut in Wallung
bringt. Auf dem Weg zur First Base gab Henry ihm im Vorbeigehen einen Klaps auf
den Hintern. »Gut gespielt«, sagte er.
    Izzy strahlte. »Danke,
Henry.«
    Hinter dem Unterstand
von Amherst standen sechs Studentinnen in einer Reihe: sie hatten violette
Abziehbildchen auf den Wangen und trugen übergroße violette T-Shirts mit weißen
Lettern, die zusammen A-M-H-E-R-T ergaben. Vier der Mädchen waren
untersetzt und klobig, ziemliche Mannsweiber. Das fünfte – das E – war über 1,80 Meter groß und schwankte im Wind, das Haar zu einem dunklen
Pferdeschwanz zusammengebunden. Nummer sechs – das A – war zierlich und blond, sie hatte ihren Pferdeschwanz durch die Öffnung an
der Rückseite ihrer violetten Baseballkappe gezogen. Henry sah ihnen an, dass
es sich bei ihnen um Softballspielerinnen aus Amherst handelte, die nach Süden
gereist waren, um ihre männlichen Pendants zu unterstützen. Das fehlende S lag vermutlich noch im Motel, komatös nach einem harten
Party-Tag.
    A war, obwohl nur halb so groß wie ihre
Mitspielerinnen, die Anführerin: Sie setzte das Getrampel und Gejohle in Gang
und trank eindrucksvolle Mengen der rosa Flüssigkeit, die von M und R mit abnehmender
Geheimhaltung aus eingeschmuggelten Plastikflaschen in stadioneigene
Pepsi-Becher eingeschenkt wurde. Sie reckte sich über das Geländer, das Gesicht
vom Trinken und Schreien gerötet. Sie war Henry sofort aufgefallen. Dann, im
vierten Inning, fiel Henry zu seinem Schrecken auch ihr auf.
    »Hey, Henry!«
    Das ließ ihn
zusammenfahren, aber er konnte sich nicht umdrehen oder in irgendeiner Form
darauf reagieren.
    »Hey, Henry! Wieso
lassen sie dich nicht spielen?«
    Er war so gut wie
sicher, dass die Stimme, schrill und herrisch mit einem hinterhältig
verspielten Unterton, A gehörte. Sein Herz rutschte
ihm weit bis unter die Kniekehlen. Eine zweite Stimme, tiefer, aber weniger
selbstsicher, gesellte sich dazu:
    »Vielleicht ist er ein
Schisser.«
    »Ein Schisser?«, fragte A mit gespielter Überraschung. »Henry?«
    »Hab ich gehört.«
    »Wovor hat er denn
Schiss?«, wollte A wissen.
    »Vielleicht kanner nich
mit Druck umgehn«, schlug jemand in starkem Bostoner Dialekt vor.
    »Mit Druck?! Henry kann
nicht mit Druck umgehen?« A klang völlig verblüfft,
so als ob sie Henry seit langem kannte und sich in ihren kühnsten Träumen nicht
hätte vorstellen können, dass es einmal so weit kommen würde.
    Henry starrte
unverwandt auf das leuchtend weiße Rechteck der First Base und tat, als hörte
er nichts, während er angestrengt auf jedes Wort lauschte. Schwartzy eröffnete
gerade das Inning mit einem Walk. Er warf den Schläger zur Seite, nahm seinen
Unterarmschoner ab und lief zur First

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