Kunst des Feldspiels
Jungs werden mir niemals verzeihen.
Die Unterbrechungen
fühlten sich zusammengenommen bereits wie eine Ewigkeit an, aber als der Batter
sich gerade zum Schlagen in Position brachte, verlangte Schwartz eine Auszeit.
Der Schiedsrichter gewährte sie mit offensichtlichem Widerwillen. Schwartz
hetzte für einen knappen Austausch zu Starblind hinüber, der kurz nickte und
sich den Schweiß von der Stirn wischte.
Starblind verwies den
Läufer auf der Third mit einem Todesblick in die Schranken und feuerte dann
einen geraden, harten Ball mit Rückwärtsdrall genau auf das Kinn des Schlagmanns
zu, dessen Hände zum Gesicht zuckten, während er sich in einer Ausweichbewegung
zu Boden warf. Der Ball prallte vom Griff seines Schlägers ab und flog in
Richtung der Spielerbank von Amherst. Deren Coach, der bereits aufs Spielfeld
stürmte, um Starblind zu beschimpfen, machte einen Umweg und versetzte dem
rotierenden Ball einen Tritt. Der Schiedsrichter hätte Starblind problemlos vom
Feld nehmen können – und ebenso Schwartz, der den Pitch eindeutig angewiesen
hatte –, aber stattdessen und vielleicht als Wiedergutmachung für die
Fehlentscheidung an der Home Plate sprach er lediglich eine Verwarnung aus und
schickte den Coach wieder zurück in seine Zone.
Der Batter klopfte sich
den Staub vom Trikot und trat mutig wieder aufs Schlagmal, aber in seinem
Unbewussten war nun ein verheerender Gedanke implantiert. Der nächste Wurf, der
eine langsame Kurve beschrieb, ließ ihn in den Knien einknicken und brachte ihm
den zweiten Strike ein. Dann ließ Starblind einen mittelmäßigen Fastball, hoch
und außerhalb der Plate, folgen, nach dem er wenig überzeugend fuchtelte.
Starblind hüpfte vom
Hügel und reckte die Faust in die Luft. Mit einem Mal wirkte er neu belebt –
die Schultern zurückgeworfen, der Kiefer entspannt. Den nächsten Batter legte
er mit seinem besten Fastball des Spieles lahm, servierte die Vorlage für einen
Mondball, den Ajay direkt aus der Luft fing, und machte dann den First Baseman
von Amherst out, was deren Läufer auf der Third Base stranden ließ. Während die
Harpooners vom Feld rannten und sich gegenseitig zuriefen, dass sie noch lange
nicht am Ende seien, dass Unkraut nicht vergehe, dass es an der Zeit sei, ein
paar Runs auf die Anzeigetafel zu bringen, staunte Henry nicht zum ersten Mal
über das unfassbare Geschick, mit dem Schwartz in problematischen Situationen
navigierte. Wie hatte er wissen können, dass der Schiedsrichter Starblind nicht
vom Feld nehmen würde, wodurch die Harpooners komplett ohne Pitcher dagestanden
hätten? Wie hatte er wissen können, dass dieser bestimmte Schlagmann sich so
leicht einschüchtern ließe? Wie hatte er wissen können, dass ein einziger
Strike Starblind regenerieren würde, zumindest für den Moment?
Die Antwort war
vermutlich, dass Schwartz nichts davon gewusst hatte. Aber er hatte einen Plan
ausgeheckt, hatte sich etwas überlegt, das man versuchen konnte, und er hatte
den Mut gehabt, es zu versuchen.
Loondorf und Asch
kehrten vom Aufwärmbereich zurück. »Loonie«, sagte Henry und legte dem
Erstsemester einen Arm um die hängenden Schultern. »Ich brauche dich als Coach an
der First Base.«
»Okay, Henry.« Loondorf
trottete in Richtung der A-M-H-E-R-T-Mädels. Owen nahm neben Henry Platz und
zog ein Bibliotheksexemplar von Furcht und Zittern unter der Bank hervor. »Beschütze mich vor verirrten Bällen«, sagte er und
schob das Lesezeichen unter den Rand seiner marineblauen Kappe. »Ich habe
fragile Knochen.«
»Ich dachte, Coach Cox
lässt dich nicht mehr lesen.«
»Tut er auch nicht.
Beschütze mich auch vor Coach Cox.«
Keines der Teams kam
auch nur in die Nähe eines Punkts, bis Starblind und Izzy in der zweiten Hälfte
des achten Innings je einen Hit erzielten, Läufer auf die Bases brachten,
während noch niemand raus war. Owen machte einen guten Schlag, hatte aber etwas
Pech: Sein gerader Ball landete genau an der First Base, und er trottete zurück
zur Spielerbank, um seine Lektüre fortzusetzen.
Henry spürte, wie eine
lautlose, elektrisierende Idee durch das Stadion zischte, als Schwartzy zur
Plate schritt und mit seinen Spikes in Größe vierzehn an der verwischten
Kreidemarkierung des Schlagmals herumscharrte. Er hielt den ewigen
Home-Run-Rekord in Westish, und so sah er in diesem Moment auch aus. Die
Amherst-Fans verstummten, abgesehen von Elizabeth Myszki. Das winzige Aufgebot
von Westish-Eltern erhob sich pfeifend und klatschend.
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