Kunst des Feldspiels
ihnen nichts von
Affenlight. Sie werden es früh genug rausfinden.«
»Okay.«
Ein kleines bisschen Morgendämmerung
sickerte durch die dichten Krankenhausvorhänge. Schwartz stand da, ein
wuchtiger Schatten im Zwielicht. Mit nicht zu verhehlender Anstrengung hob er
seinen riesenhaften verbeulten Rucksack auf, schwang ihn sich auf den Rücken
und justierte die Riemen so, dass sie ihm nicht in seine fleischige Brust
schnitten. Dann schulterte er seine ebenso riesige Sporttasche.
»Das ist hier die
psychiatrische Abteilung«, sagte er.
Henry nickte. »Okay.«
»Wollte ich dir nur
sagen. Sie werden dir Seelenklempner reinschicken, die mit dir über dein
Essverhalten reden. Deine Magersucht, wie sie es nennen.«
»Okay.«
»Ich habe denen gesagt,
dass nur Cheerleader magersüchtig werden. Du bist ein Spieler – du hast eine
Glaubenskrise.« Schwartz’ Lächeln kehrte zurück, diesmal war es reumütig. »Sie
dachten, ich meine es ernst.«
»Na ja«, sagte Henry.
»Du bist ein ernsthafter Typ.«
Schwartz hatte noch nie
wie ein typischer College-Student ausgesehen, aber jetzt wirkte er einfach nur
alt, übernächtigt und erschöpft, die Stirnfalten tiefer als sonst. Seine Knie
schwankten unter der Last der Taschen. Er griff nach den Gitterstäben am Ende
des Bettes, um sich abzustützen. »Ruh dich ein bisschen aus, Skrimmer.«
Sein massiger Körper
verdunkelte die Türöffnung und verschwand im Flur. Der dumpfe Klang seiner
schlurfenden Schritte und das Geräusch des an der Jacke schabenden Rucksacks
verklangen allmählich, während er sich entfernte.
77
—
Das Telefon klingelte, und am liebsten hätte er es
klingeln lassen, aber er hatte gerade erst mit Dr. Rachels darüber
gesprochen, dass man Probleme bewältigen sollte, sobald sie sich stellten,
augenblicklich, eines nach dem anderen, und das hier war ein Problem, das wohl
zu bewältigen war: ein klingelndes Telefon. Er war seit zehn Tagen hier.
»Henry, hier ist Dwight. Dwight Rogner.«
»Hey, Dwight.«
»Herzlichen
Glückwunsch, mein Freund. Ich freue mich außerordentlich, dir mitteilen zu
können, dass du in der dreiunddreißigsten Auswahlrunde des Amateur-Drafts von
den St. Louis Cardinals ausgewählt wurdest.«
»Was?« Henry sank auf
das ungemachte Krankenhausbett. Sein erster Gedanke war, dass Adam oder Rick
sich einen Scherz erlaubten, einen Scherz, der so absurd war, dass man ihn noch
nicht einmal gemein finden konnte. »Das ist ein Witz.«
»Ich weiß, was die Runden
angeht, ist es nicht das, was wir erwartet hatten. Aber ich finde, es ist eine
schöne Gelegenheit für dich. Und ehrlich gesagt auch eine schöne Gelegenheit
für die St. Louis Cardinals, in dieser Phase des Drafts einen Sportler
deines Kalibers abzubekommen.«
»Aber …«, protestierte
Henry. »Ich meine … ich spiele doch gar nicht mehr. Ich habe die Mannschaft
verlassen.«
»Henry, ich weiß, dass
du nicht die einfachste Saison hattest. Aber beim Draft geht es nur um ein
Wort, und das lautet Potential . Und ich will verdammt
sein, wenn die Cardinals in der dreiunddreißigsten Runde einen anderen Spieler
mit deinem Potential finden. Den ich als Star in dieser Liga sehe, wenn ich
einen Moment lang die Augen schließe. Einen verdienten Star, einen Star auf
lange Sicht.«
Henry schwieg, aber das
machte nichts, denn Dwight redete einfach weiter: »Mike und du, ihr habt mit
eurem Training sehr viel erreicht, gemessen an den zur Verfügung stehenden
Mitteln. Aber zwischen Westish College und den St. Louis Cardinals besteht
ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Du bekommst von uns die besten
Trainer, die besten Betreuer, die besten Einrichtungen. Alles, was wir tun, ist
darauf ausgerichtet, einen besseren Spieler aus dir zu machen.«
»Ich habe abgenommen«,
sagte Henry.
»Du wirst wieder
zunehmen. Wir werden dich langsam aufbauen. Niemand erwartet, dass du morgen in
der Major League spielst. Wir erwarten nur, dass du Tag für Tag hart arbeitest.
Dass du deinen Traum verfolgst.«
»Ich bin im Krankenhaus «, sagte Henry laut. »In der psychiatrischen
Abteilung. Ich kann nicht werfen.« Er schlug mit einer Hand aufs Bett. Zorn
durchströmte ihn. Er wollte nicht über seine Träume sprechen. Er wollte über
das sprechen, was real war.
»Ich weiß, dass du eine
schwere Zeit hattest«, sagte Dwight. »Das kann jedem von uns passieren.«
»Sie meinen es ernst«,
sagte Henry. »Ich wurde wirklich ausgewählt.«
»Das wurdest du
allerdings. Du hast größeres
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