Kunst des Feldspiels
nicht
interpretieren als … Es geschah unter keinen Umständen … vorsätzlich ?«
Was? Plötzlich schien es ihr, als wäre das
ganze Treffen, ganz zu schweigen von der monatelangen Verfolgungsjagd, auf
diesen Moment angstvoller Neugier hinausgelaufen. »Mein Vater ist an einem
Herzinfarkt gestorben«, sagte sie in scharfem Ton. »Für den meine Familie eine
starke genetische Disposition hat. Zumindest die Männer. Die Frauen leben
ewig.«
»Ah.« Dekan Melkin sank
in seinen Stuhl zurück. Obgleich er sich noch immer nicht ganz wohl in seiner
Haut zu fühlen schien, wirkte er merklich erleichtert. »Nun denn. Es war nicht
zu verhindern, nicht wahr?«
Was war hier los?
Dachte Dekan Melkin, ihr Dad hatte sich umbringen wollen? Warum in aller Welt sollte er so etwas denken? Ihr Dad hatte so rosig,
so gesund und vital gewirkt, vielleicht war es schwierig für Dekan Melkin, sich
vorzustellen, dass er einfach zu leben aufgehört hatte. Aber das öffentliche
Bild ihres Vaters war derart von Fröhlichkeit geprägt gewesen, er war als so
durch und durch lebensbejahend wahrgenommen worden, dass sie nicht verstand,
wie irgendjemand glauben konnte, er habe Selbstmord begangen. Es nicht nur glauben konnte, sondern fest genug daran glauben konnte,
um sie danach zu fragen, wie es Dekan Melkin letztlich getan hatte, was
ausgesprochen bizarr war und darüber hinaus höchst unprofessionell.
Es sei denn, Dekan
Melkin hatte einen Grund, es zu glauben. Irgendeine Insider-Information über
eine Kränkung, einen Skandal, eine verborgene Fäulnis im Leben ihres Vaters,
von der sie nichts wusste, aber andere Leute schon. Oder ging sie da zu weit?
Lebte sie wieder in einer eigenen Welt?
Aber Dekan Melkin saß
hier vor ihr und benahm sich derart bizarr, fummelte immer noch an den
Manschettenknöpfen seiner zu großen Dekansdarstellerjacke herum, nicht dass er
kein echter Dekan gewesen wäre, aber er sah eher wie ein schwächlicher Junge
aus, der davon träumte, eines Tages Dekan zu werden, und worauf sie eigentlich
hinauswollte, war, dass sie in ausgeglichener Stimmung hergekommen war, in der
besten Stimmung sogar, in der sie sich seit Anfang des Sommers befunden hatte,
und dass es Dekan Melkin war, der sie mit seiner Aufregung aufgeregt hatte,
Dekan Melkin, dessen seltsames Verhalten und dessen seltsame Worte sie seltsame
Gedanken denken ließen. Nicht sie war es. Er war es, und sie musste der Sache
auf den Grund gehen. Und wenn sie in Verbindung mit ihrem Vater an Kränkungen
und Skandale dachte, dann, nun ja, dann kam für sie nur eine Möglichkeit in
Frage. Nur eine Person.
»Natürlich«, sagte sie
mit großem Ernst, »ist es für Owen ganz besonders schwierig.«
Dean Melkin sah sie
ratloser und gequälter an als je zuvor. Aber nicht auf eine
Wer-ist-Owen-und-was-soll-dieser-merkwürdige-Gedankensprung-Art. Nein, es war
eher die Ratlosigkeit eines Menschen, der bemüht ist, eine Reaktion auf eine
Nachricht zustande zu bringen, die er längst erhalten hatte. »Natürlich«, sagte
er nachdenklich nickend. »Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwierig sein
muss.«
Er weiß es, dachte
Pella. Er weiß von Owen. Der Studiendekan weiß von Owen. Er weiß von Owen, und
er fragt sich, ob mein Dad Selbstmord begangen hat. Und nun fragte sie sich, ob ihr Dad Selbstmord begangen hatte. Denn der
Studiendekan wusste es. Und wenn er es wusste, dann gab es auch noch andere,
die es wussten. Was bedeutete, dass ihr Dad gelyncht worden war oder dass er
kurz davor gewesen war, gelyncht zu werden, oder irgendetwas in der Art.
Konnte er sich
umgebracht haben? Gab es eine Möglichkeit, sich so umzubringen, dass es
genügend nach einem Herzinfarkt aussah, um Menschen zu täuschen, die davon
ausgingen, dass man an einem Herzinfarkt gestorben war? Ja, bestimmt gab es
die. Aber es konnte einfach nicht sein. Ihr Dad hatte nicht die Spur einer
morbiden Ader gehabt, war immer ein großer Angsthase gewesen, wenn es um den
Tod ging. Er hatte keine Ärzte gemocht, ihre Mutter zumindest teilweise
ausgenommen, und er hatte die Pillen nicht gemocht, die ihn paradoxerweise
daran erinnerten, dass er eines Tages würde sterben müssen. Nein, er konnte
sich nicht umgebracht haben, obwohl er eindeutig zu viel geraucht hatte – sie
bedauerte, das nicht früher bemerkt zu haben, nicht mehr darauf herumgeritten
zu sein. Als Mrs. McCallister ihn gefunden hatte, lag die rechte Hand auf
seiner Brust, darin das völlig zerdrückte Päckchen Parliaments.
»Ich nehme
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