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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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an«, sagte
sie, »dass die leitenden Angestellten mehr oder weniger alle über Owen und ihn
Bescheid wussten.«
    »Nein, nein, nein.«
Dekan Melkin richtete sich in seinem Stuhl auf und zupfte am Kragen seines
weißen Oxfordhemds. »Nein, nein. Nur Bruce Gibbs und ich wussten es, und
Mr. Gibbs hat, glaube ich, unter dem Siegel der Verschwiegenheit ein oder
zwei Mitglieder des Hochschulrats hinzugezogen, nur um zu erörtern, welche
möglichen Vorgehensweisen es gab. Ob es mögliche
Vorgehensweisen gab.«
    Nun war es also heraus.
Er war aufgeflogen. Er war aufgeflogen, und er war verbannt worden. Diese
Dreckschweine. Und ihr Vater, was für ein Idiot. Er hatte es ihr nicht gesagt.
Hatte er es irgendjemandem gesagt? Hatte er es Owen gesagt? Nein – das konnte
er nicht getan haben. Das würde er nicht getan haben. Wenn Owen es gewusst
hätte, wenn sie es gewusst hätte, dann wären sie vielleicht in der Lage
gewesen, ihn zu beruhigen, ihm Trost zuzusprechen, ihn irgendwie wieder
aufzumuntern. Stattdessen hatte er es alles in seinem Herzen eingeschlossen.
    Sie musste hier raus.
Nicht nur aus Dekan Melkins Büro – raus aus Westish, fort von Westish. Für
immer.
    Dekan Melkin war immer
noch mit seinen Manschettenknöpfen beschäftigt. Er hatte eindeutig auf diesen
Moment gewartet, hatte den ganzen Sommer über mit einer merkwürdigen Schuld
gelebt, die auf ihm lastete.
    »Pella«, sagte er. »Es
tut mir so leid. Ich wünschte, wir hätten irgendetwas tun können. Natürlich war
Ihr Vater mein Vorgesetzter, ich hatte in der Angelegenheit wenig Einfluss,
aber die Vorstellung, dass zwischen seinem Rücktritt und seinem Ableben
irgendein Zusammenhang bestehen könnte, ist, nun ja, schrecklich, einfach
schrecklich …«
    »Ich bin ganz Ihrer
Meinung«, sagte sie scharf, ein guter Einstieg für eine Tirade, aber ihr war zu
elend, um eine Szene zu machen. Irgendwie schaffte sie es, auf die Füße zu
kommen, dann schwankte sie aus dem Büro und aus der Glendinning Hall ins Freie,
wobei sie ihren Stapel Kataloge und Kopien auf der Kante von Dekan Melkins
Schreibtisch zurückließ.
    Sie musste ganz weit
weg von hier. Mike arbeitete an diesem Abend im Bartleby’s, wahrscheinlich war
er schon dort – wenn sie sich beruhigt hatte, würde sie zu ihm gehen, Whiskey
trinken und ihm beibringen, warum sie fortgehen musste. Würde er mitkommen? Sicher
würde er das. Sie war bereit, an jeden Ort zu gehen, an den er wollte, bloß
hierzubleiben nicht. Selbst Chicago wäre weit genug weg.
    Sie war draußen,
schwitzte in der diesigen Hitze der Nachmittagssonne und irrte lange Zeit in
hilflosen, planlosen Kreisen hektisch über den Campus, hinunter zum Strand und
zurück, hinaus zum Football-Stadion und zurück, hierhin und dorthin,
überallhin. Ihre Gedanken kreisten um ihren Vater und darum, wie sie ihn rächen
konnte. Wie sie aufs Gründlichste mit Westish abschließen konnte. Wie sie dem
gesamten College und allen, die damit zu tun hatten, mitteilen und begreiflich
machen konnte, dass ihr Vater und sie aufs Gründlichste und für alle Zeiten
damit abgeschlossen hatten. Sie war voller Zorn, aber viel wollte ihr nicht einfallen.
    Sie wollte nicht an
Dekan Melkin denken, er war die letzte Plage-Schrägstrich-Person, an die sie
denken wollte, aber etwas, das er gesagt hatte, wanderte durch ihre Gedanken,
wanderte und wanderte, bis es einfach in der Mitte hängen blieb und nichts
anderes mehr an sich vorbeiließ. »Sie hier zu haben«, hatte Melkin gesagt, »war
das Allerwichtigste für ihn.« Das stimmte, oder? Es stimmte absolut. Sie würde
niemals wissen, wie die letzten Minuten oder Stunden oder Tage ihres Vaters
ausgesehen hatten, aber sie wusste, dass Dekan Melkin die Wahrheit gesprochen
hatte und dass ihr Vater, was auch immer sich zwischen Westish und ihm ereignet
hatte, sie hatte hierhaben wollen. Wenn sie Westish attackierte, auf welche
machtlose Weise auch immer sie es attackieren konnte, dann tat sie das für sich
selbst und nicht für ihn. Wenn sie etwas für ihn tun wollte, dann musste es
etwas anderes sein.
    Owen würde sie es nicht
sagen. Wenn sie es Owen sagte, würde er sich nur grauenhaft und schuldig
fühlen, als hätte er zum Tod ihres Vaters beigetragen, und wozu? Nur um sich
reden zu hören? Und es Mike zu sagen war sinnlos. Es würde eine Sache zwischen
ihr und ihrem Vater bleiben. Und sie würde Westish den Namen Affenlight in den
Schlund rammen, wieder und wieder, aber nicht so, nicht auf eine rachsüchtige
Weise

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