Kunst des Feldspiels
und Yammersley. Sie sollten das Stadtgebiet
von Westish in der nächsten Stunde erreichen, also macht euch auf einen
chaotischen Weg zur Arbeit gefasst, Leute. So viel zum Thema Erderwärmung,
oder?«
Schwartz sah auf die
Uhr und zog zweiundvierzig ab: kurz vor fünf. Seit Jahren hatte er nicht mehr
so viele gute Stunden verschwendet, zumindest nicht nüchtern. Von dem
plötzlichen Verlangen überwältigt, mit Henry zu sprechen, wuchtete er sich aus
dem Becken, ertastete den Weg durch die finstere Umkleide zu seinem Stapel
zusammengelegter Sachen und zog das Handy aus der Hosentasche seiner Jeans.
»Morgen.« Henry nahm
beim zweiten Klingeln ab, klang nur ganz leicht müde. Dies war eines ihrer
Rituale – Schwartz konnte Henry jederzeit anrufen und umgekehrt, und der andere
ging direkt und locker dran, zu allem bereit, ohne dass jemals die Absurdität
der Uhrzeit thematisiert wurde. Denn was war schon Schlaf, Zeit oder
Dunkelheit, verglichen mit den Dingen, die sie zu erledigen hatten? Natürlich
war es meistens Schwartz, der anrief.
Er lehnte sich wieder
im Whirlpool zurück. »Skrimmer«, sagte er. »Geht’s dir besser?«
Henry unterdrückte ein
Gähnen. »Glaub schon. Wo bist du?«
»Im VAC . Weich
meinen Rücken ein. Da ist ein Schneesturm im Anmarsch. Dachte, vielleicht
willst du die Stadiontreppen machen, bevor er zuschlägt.«
»Alles klar. Danke.«
Schwartz betrachtete
den Brief in seiner Hand. Als er gewählt hatte, war er sich nicht sicher
gewesen, warum er mit Henry sprechen wollte. Jetzt wurde ihm klar, dass er ihm
die ganze Wahrheit sagen wollte. Dann konnten sie den Umschlag gemeinsam öffnen
und die Höllenqualen oder die Verzückung teilen. Jetzt konnte der Skrimmer ihm mal den Rücken stärken. »Hör zu«, sagte er. »Ich wollte
dir die ganze Zeit schon …«
»Übrigens!« Henry hörte
sich plötzlich hellwach an. »Gestern Abend ist was total Komisches passiert,
als ich nach Hause kam.« Er begann sein Telefonat mit Mirando Szabo
wiederzugeben.
»Dritte Runde?«,
wiederholte Schwartz. »Sie hat dritte Runde gesagt?«
»Hat sie gesagt. Dritte Runde und weniger. Meinst du, das war ein
Telefonstreich? Ich hab mir die ganze Zeit vorgestellt, wie eine der
Softballspielerinnen am anderen Ende der Leitung sitzt, während Rick und
Starblind sich im Hintergrund schlapplachen.«
Schwartz hielt sich den
Brief vor die Augen und wendete ihn in der Hand. Er führte ihn zur Nase und
roch an dem sich auflösenden Kleber. Er wusste, was Henry jetzt von ihm
erwartete, aber er brauchte mehr als eine halbe Minute, bis er Worte fand, die
wie etwas klangen, das er sagen könnte. »Das ist real, Skrimmer. So wird dein
Leben von nun an aussehen. Das ist es, worauf wir die letzten vier Jahre
hingearbeitet haben.«
»Drei.«
»Richtig. Drei Jahre.«
Die Luftfeuchtigkeit hatte die Lasche jetzt ganz vom Umschlag gelöst. Schwartz
hob sie vorsichtig an, bis er das hübsche, vielversprechende Cremeweiß des
gefalteten Briefbogens sehen konnte. »Worauf es jetzt ankommt«, fuhr er fort,
»ist, genau so weiterzumachen. Auf den Auswahlprozess hast du keinen Einfluss.
Und wenn du keinen Einfluss auf etwas hast, solltest du dir auch nicht den Kopf
darüber zerbrechen. Du hast bloß Einfluss darauf, wie hart du heute arbeitest.«
»Stimmt«, sagte Henry.
»Wenn es in diesem Jahr
klappt«, sagte er, »fantastisch. Wenn nicht, dann klappt es nächstes Jahr.«
Schwartz ließ die Augen
zufallen, bevor er in den Umschlag griff: Der dreifach gefaltete Bogen, von der
Feuchtigkeit des Raumes unversehrt, fühlte sich frisch und vielversprechend an.
Henry sagte etwas über Peter Gammons, den Baseball-Analysten, aber seine Stimme
klang weit entfernt. Die Metallwand des Beckens erzitterte unter dem Gewicht
von Schwartz’ Schultern. Er faltete den Brief auseinander.
»Hallo?«, sagte Henry.
»Schwartzy?«
13
—
Henrys Atem hinterließ kaum sichtbare Wölkchen vor seinem
Gesicht. Unter der Windjacke, dem Sweatshirt und dem Thermo-Hemd und über dem
T-Shirt trug er seine Trainingsweste mit Gewichten. Noch schneite es nicht,
aber die Wolken hingen tief, wie eine Markise, die kurz davor stand
zusammenzubrechen. Er wechselte vom Gehen in einen Trab und lief am Kleinen Hof
vorbei zum Großen. Die Gebäude hier waren wesentlich größer, vor allem die Bibliothek
mit den getönten Scheiben und die Kapelle, die drohend am nördlichen Ende
stand. Die kahlen Bäume zitterten im Wind. Nur in einem Fenster der oberen
Stockwerke des
Weitere Kostenlose Bücher