Kunst des Feldspiels
jetzt
oder Jeter in fünf Jahren? Weil, bis dahin ist der durch.«
»Der ist jetzt schon
durch.«
»Jeter vor fünf Jahren.
Henry in fünf.«
»Seid ihr bescheuert?«
Henry haute Loondorf an den Hinterkopf. »Haltet die Schnauze.«
»Sorry, Henry.«
Jeder Einzelne im Bus,
von Schwartz bis hin zum kleinen Loondorf, hatte während des Heranwachsens
davon geträumt, einmal Profisportler zu werden. Selbst wenn man irgendwann
einsehen musste, dass es nicht zu schaffen war, gab man den Traum nicht einfach
so auf, nicht tief im Innern. Und Henry durfte ihn leben. Nur er war auf dem
Weg zu jenem Ort, an dem jeder von ihnen in seinen geheimen Hinterhoffantasien
einen Großteil seiner Jugend verbracht hatte: einem Major-League-Spielfeld.
Schwartz für seinen
Teil hatte sich seit langem geschworen, nicht zu einem dieser lächerlichen
ehemaligen Sportlertrottel zu werden, die Highschool und College als die besten
Jahre ihres Leben betrachteten. Das Leben war lang, wenn man nicht früh starb,
und er hatte nicht vor, die nächsten sechzig Jahre über die letzten
zweiundzwanzig zu reden. Das war auch der Grund dafür, dass er nicht Trainer
werden wollte, auch wenn alle in Westish, insbesondere die Coaches selbst, das
von ihm erwarteten. Dass er das konnte, wusste er bereits. Man musste sich bloß
jeden einzelnen seiner Spieler anschauen und sich fragen: Welche Geschichte
will dieser Typ von jemand anderem über sich selbst hören? Und dann erzählte
man ihm genau diese Geschichte. Erzählte sie mit einem Schlenker in Richtung
drohenden Unheils. Baute seine Fehler ein. Hob die Hindernisse hervor, die ihn
womöglich davon abhalten konnten, erfolgreich zu sein. Genau das verlieh der
Geschichte nämlich etwas Episches: Der Spieler, der Held, musste auf dem Weg
zum finalen Triumph erst gehörig leiden. Schwartz wusste, dass die Leute es
liebten zu leiden, solange das Leiden zu etwas führte. Alle Menschen litten.
Das Entscheidende war, sich für eine Form des Leidens zu entscheiden. Das
konnten die meisten nicht von selbst, und genau dafür brauchten sie einen
Coach. Ein guter Coach ließ jeden in der ihm gemäßen Weise leiden. Ein
schlechter Coach ließ alle gleich leiden und war damit eher eine Art
Folterknecht.
Die letzten vier Jahre
hatte Schwartz dem Westish College gewidmet; die letzten drei hatte er Henry
gewidmet. Beide würden nun ohne ihn weitermachen. Danke für
alles, Mikey. Wir sehn uns. Nach der Rekrutierung würde Henry jede Menge
Leute haben, die ihm sagten, was er tun sollte. Einen Agenten, einen Manager,
einen ganzen Pulk von Trainern und Ausbildern und Teamkollegen. Er würde
Schwartz nicht mehr brauchen. Schwartz wusste nicht, ob er dafür bereit war –
bereit, nicht mehr gebraucht zu werden.
Izzy, der in der Reihe
vor Henry saß, hängte sich nach hinten über die Lehne, um Henrys volle Aufmerksamkeit
zu haben. »Wenn du nächstes Jahr zur Major League gehst«, überlegte er, »dann
werd ich erster Shortstop. Das wär ganz schön cool. Aber du wärst dann nicht
mehr da.«
»Major League wird es
sicher nicht«, korrigierte Henry ihn. »Nicht mal ansatzweise. Ich würde
wahrscheinlich draußen in Montana oder so in der Minor League spielen. Und
jeden Tag mit so einem Bus wie dem hier fahren.«
Schwartz nickte
unmerklich, freute sich über so viel Besonnenheit.
»Selbst in den unteren
Ligen kriegst du Muschis ohne Ende«, sagte Izzy. »Ich meine wirklich ohne Ende , Alter.«
»Klingt gut.« Henry
schaute gedankenverloren aus dem Fenster, während er in der rechten Hand einen
Baseball drehte.
»Und Typen wollen sich
mit dir anlegen. Du latschst in ’ne Bar rein, und irgendein Typ zieht dir eins
mit ’ner Flasche über. Hab ich in Baseball America gelesen.«
»Warum sollte sich
jemand mit Henry anlegen wollen?« Loondorf wirkte gekränkt.
»Weil er ein
Baseballspieler ist.«
»Und?«
»Das heißt, er ist ein
Checker. Er hat Kohle, Schmuck, lässige Klamotten. Er hat ’ne Kappe, auf der
Yankees steht, und die ist echt von den Yankees, nicht vom Flohmarkt, Alter. So
kommt er in ’ne Bar, und die Weiber gleich so, wow , Alter . Werden die Typen halt eifersüchtig. Sie wollen ihn
provozieren und ihm zeigen, dass sie auch wer sind.«
»Sie wollen ihn
plattmachen«, machte sich Steve behilflich.
»Ganz genau. Ihn
plattmachen.«
Loondorf schüttelte den
Kopf. »Henry geht doch überhaupt nicht in Bars.«
Henry ließ sich auf den
Sitz gegenüber von Schwartz gleiten. »Komisch hier, so ohne
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