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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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sollten wir
doch vielleicht auch ein bisschen Frauen-in-der-Küche-Tratsch austauschen,
oder?«
    »Klar.« Pella blinzelte
in Richtung Temperaturregler des Backofens. Hundertfünfzig Grad? Zweihundert?
Sie entschied sich für den Mittelwert.
    »Sie sollten wohl
besser vorheizen.« Genevieve berührte Pella am Arm, um die Strenge des Befehls
abzumildern.
    »Natürlich.« Sie
drückte auf den Knopf, über dem VORHEIZEN stand.
    »Vielleicht besser ohne
das Brot drin?«
    »Ach.« Pella nahm das
Blech heraus und stellte es auf eine Herdplatte. Zu Hause in Buena Vista hatte
sie einen professionellen, selbstreinigenden Sechs-Platten-Edelstahlherd, und
doch konnte sie nicht einmal etwas von jemand anderem Zubereitetes warmmachen,
ohne es zu verkohlen. Das erschien ihr wie eine Art Metapher für ihr Leben oder
das moderne Leben an sich oder sonst irgendetwas.
    »Perfekt«, sagte
Genevieve. »So. Ihr Vater ist also nicht mehr verheiratet?«
    »War er nie«, sagte
Pella eifriger als beabsichtigt. Es war eine Weile her, dass sie über Jungs
gesprochen hatte; es machte ihr immer noch Spaß, auch wenn der Junge ihr Vater
war.
    Genevieve nickte. »Er
hat etwas von einem ewigen Junggesellen. Selbstständig, aber nicht richtig
erwachsen. Und diese Wohnung – sie sieht aus wie das Wohnheimzimmer eines
Englisch-Doktoranden, nur mit Erstausgaben statt Taschenbüchern. Wo verbringt er
denn den Sommer?«
    »Hier.«
    »Der Ärmste.«
Genevieves Haare waren kürzer als Mikes, aber sie fuhr auf eine ähnliche Art
mit der Hand darüber, wenn sie verblüfft war. Obwohl, vielleicht ähnelten sich
die Bewegungen auch gar nicht so sehr – Genevieves war ein kesses weibliches
Sich-Zurechtmachen, wohingegen Mikes stets von einem betrübten Seufzer
begleitet wurde. Was letztlich bloß bedeutet, dachte Pella, dass ich nach
Anlässen suche, an Mike zu denken. Was wiederum bedeuten würde, dass ich ihn
mag. Aber vielleicht will ich ihn gar nicht mögen. Sie goss sich einen Schluck
Wein in ihr leeres Whiskeyglas ein und vertagte die Frage – sie war ja nach
Westish gekommen, um auszuprobieren, wie es war, un gebunden
zu sein.
    Genevieve sah sie
unverwandt an.
    »Entschuldigung?«,
sagte Pella.
    »Tut mir leid. War die
Frage unverschämt?«
    »Welche Frage?«
    »Es wäre mir ja niemals
in den Sinn gekommen«, rechtfertigte sich Genevieve rasch, »nur, als O. auf der
Highschool war, hat er das Buch Ihres Vaters gelesen – den Titel habe ich vergessen
– und war absolut begeistert. Ich glaube, so ist er überhaupt auf Westish
gestoßen, indem er Guert Affenlight gegooglet hat.«
    »Ach so«, sagte Pella.
»Ob mein Vater schwul ist.«
    Genevieve sah sie
ängstlich an, als hoffte sie auf Vergebung.
    »Im Grunde«, sagte
Pella, »hat das Buch mit Homosexualität per se ziemlich wenig zu tun. Es geht
eher um die kultische Überhöhung von Männerfreundschaften im Amerika des 19. Jahrhunderts. Männervereine, Walfangboote, Baseballmannschaften.
Emotionale Versorgung vor den Zeiten der Geschlechtergleichheit.«
    »Pseudo-Gleichheit,
meinen Sie.«
    Pella lächelte.
»Pseudo-Gleichheit. Ich glaube, mein Vater ist einfach einsam«, fügte sie
hinzu. »Als wir in Cambridge lebten, hatte er immer eine Freundin, zwei, wie
viele auch immer. Aber lange blieb keine von denen. Ich glaube, es war einfach
noch zu früh, nach dem Tod meiner Mutter war noch nicht genügend Zeit
vergangen.« Pella verstummte. Eigentlich hatte sie gar keine Ahnung, was ihr
Vater über den Tod ihrer Mutter dachte, und jener einfache Satz, den sie als
Kind immer geglaubt hatte – Es war einfach noch zu früh –, klang wie eine Lüge, als sie ihn jetzt aussprach. »Jedenfalls«, schloss sie
mit ostentativer Munterkeit, da Genevieve sie bereits mit
O-nein-deine-Mutter-ist-tot-Empathie ansah, »könnte er eine feste Freundin
gebrauchen.«
    Genevieve kippte die
Neige in ihr Glas. »Dann hätte ich Ihren Segen?«
    Pella spielte gerne mit
und malte zwischen Genevieve und sich ein Kreuzzeichen in die Luft. Sie nahm
den Champagner aus dem Eisfach, den ihr Vater hineingestopft hatte, und
zusammen trugen sie Essen und Flasche ins Arbeitszimmer.
    »Auf Owen«, sagte ihr
Vater und erhob sein Glas. »Möge er im Land der aufgehenden Sonne ebenso
gedeihen wie im Land des rieselnden Schnees.«
    »Wie nett«, Genevieve.
»Bravo!«
    »Wir werden ihn
vermissen« – Traurigkeit schlich sich in Affenlights Stimme –, »aber wir werden
weitermarschieren.« Pella erschien das etwas dick aufgetragen; ihr

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