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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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dynamische Weise
weiblich aussah. Sie trug dasselbe marineblaue Kleid und dieselbe weiße Bluse
wie am Morgen, aber wenige raffinierte Korrekturen – ein Satz klirrender
Silberarmreifen, ein geöffneter Blusenknopf – hatten ihr Erscheinungsbild
vollständig verändert. Sie sah Affenlight direkt in die Augen: »Ich muss
unbedingt wiederkommen, wenn ich länger bleiben kann.«
    »Eltern sind stets
willkommen«, sagte Affenlight vorsichtig. Er streckte Owen die Hand entgegen;
ein elektrischer Schauer durchzuckte ihn, als ihre Handflächen
aufeinandertrafen. »Glückwunsch, junger Mann. Du bist der erste
Westish-Student, der ein Trowell bekommen hat.«
    Owen lächelte mit der
intakten Seite seines Mundes. »Na ja, die Trowells vergeben sie ja auch erst
seit zweiundachtzig«, sagte er mit lakonischem Stolz. Der Händedruck dauerte
an.
    Oben angekommen,
öffnete Affenlight eine Flasche Wein, wies Genevieve den Weg zur Toilette und
ermutigte Owen, die Schuhe auszuziehen und auf der Ottomane die Füße
hochzulegen. »Bitte«, sagte er, »vergessen wir die Etikette.« Er schob Owen ein
Kissen unter den Kopf, von dessen Hinterseite eine gewaltige, verbandverhüllte
Beule abstand. Wieder hörte er das furchtbare Geräusch, mit dem dieser schöne
Kopf gegen die Betonwand des Unterstands geschlagen war. »Wie geht es dir?«
    Owen nickte vorsichtig.
»Es ging mir schon schlechter.«
    »Wann?«
    »Na ja, eigentlich noch
nie. Aber ich könnte es mir vorstellen.« Ein magentafarbener Halbkreis ränderte
seine Augenhöhle, die Schwellung erstreckte sich bis hinab zur blutverkrusteten
Ecke seiner Lippe, sodass die Worte verlangsamt und zähflüssig aus einem
Mundwinkel kamen. »Manchmal ist mir schwindelig«, sagte er. »Und meine
Merkfähigkeit hat gelitten. Schwer zu sagen, ob das von der Gehirnerschütterung
oder von den Medikamenten kommt.« Er hielt inne. »Und ich habe dieses
grässliche tonlose Schrillen im Ohr.«
    Die Glocken der
Westish-Kapelle schlugen acht. »Immer zur vollen Stunde?«, sagte Affenlight.
    »So ungefähr.« Owen
legte die Hände auf die sanfte Erhebung seines Bauches und schloss die Augen.
»Einmal ging es mir tatsächlich schon schlechter, glaube ich. Als Jason mit mir
Schluss gemacht hat.«
    Jason. Der Name brach wie eine Welle über
Affenlight. »Jason?«, fragte er.
    »Jason Gomes. Erinnern
Sie sich an ihn?«
    Affenlight brauchte
einen Moment, um den Namen einzuordnen. »Ach ja. Jason war einer unserer besten
Studenten.«
    Owen nickte. »Und einer
der hübschesten.«
    »Daran kann ich mich
nun nicht erinnern.«
    »O doch, Sie erinnern
sich bestimmt«, sagte Owen kokett. »Viel hübscher als ich. Womöglich sogar
hübscher als Sie.« Owen kratzte sich am Kinn, sein Tonfall war wertend,
vielleicht auch ein wenig neckisch. Affenlight wurde blass. Wenn Owen dachte,
Jason sei etwas hübscher als Affenlight, aber viel hübscher als Owen, dann
dachte Owen, Affenlight sei hübscher als Owen. Was ein Kompliment war. Aber zu
Ungunsten mit einem Exfreund verglichen zu werden: Das war eine Kränkung. Aber
er hatte es eingeschränkt: womöglich, hatte er
gesagt. Das Ganze war wie eine Abiturprüfung in Sachen schwules Flirten. Nicht
dass schwules Flirten sich von heterosexuellem Flirten unterschied. Aber wenn
es keinen Unterschied gab, weshalb war Affenlight dann so schlecht darin?
Genevieve war zurückgekommen, nahm, den Rücken zu ihnen gekehrt, Affenlights
Bücherregale unter die Lupe und nippte an ihrem Wein.
    »Hat es so wehgetan?«,
fragte Affenlight leise, die Trennung meinend.
    »Ich war so
verzweifelt, dass ich nichts mehr essen wollte. Henry musste mich gewaltsam
füttern.« Owen schlug die Augen auf und sah Affenlight an. »Ich mag es nicht,
wenn man mir das Herz bricht.«
    Ehe Affenlight das
verdauen konnte, platzierte Genevieve sich neben ihm auf der Couch und schlug
ihre bombastischen Beine übereinander, die Fußspitzen auf ihn gerichtet.
»Guert, diese Wohnung ist ja allerhand.«
    »Gefällt sie Ihnen?«
    Sie sah sich um, das
Kinn nachdenklich vorgeschoben. »Ja, sie gefällt mir«, entschied sie. »Aber sie
wirkt schon sehr …«
    »Akademisch?«, schlug
Affenlight vor.
    »Ich wollte studentisch sagen. Oder maskulin .
Aber zumindest bei Letzterem kann Ihre Tochter sicher Abhilfe schaffen. Wo ist
sie überhaupt?«
    »Ich habe sie auf
Futtersuche geschickt.«
    »Wehe, sie macht sich
deswegen große Umstände.« Genevieve drohte Affenlight mit dem Finger. »Sinn und
Zweck dieses Abends war ja

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