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Kunst hassen

Kunst hassen

Titel: Kunst hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Zepter
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höchste Summe für seine Werke gezahlt. 140 . 000 Euro. Die Hälfte bekommt der Galerist. Wenn der Künstler etwas sagt, klingt es jenseits der Welt, der Interpretationen, des Systems. Ab und zu klingt es mal unberechenbar, so, als könnte man im nächsten Moment etwas Falsches sagen und er würde: Raus! schreien, ohne Vorankündigung, einfach so. Ohne, dass es ihm leid täte oder er es rückgängig machen würde. Wenn er redet, wiederholt er die Geschichten, die schon über ihn in der Presse stehen, und fügt immer mal wieder etwas aus seinem Kosmos hinzu. Dann schaut er auf mein Buch und sagt: Deleuze in Buchform! Totaler Quatsch. Die Form stimme nicht. Man müsse es als einzelne Kladden herausgeben. Wenn er antwortet – und das tut er eigentlich immer –, dann weiß man nach kurzer Zeit nicht mehr, was er erzählt, dann versteht man es wieder, stellt aber fest, dass er die Frage nicht beantwortet. Er macht das nicht absichtlich. Er redet einfach. Und er erzählt, was er erzählen möchte. Seine Kunst wird im Feuilleton besprochen, in Kunstzeitschriften. Dass er nicht immer besprochen werden kann, dass sein medialer und finanzieller Erfolg wieder abebbt, das macht ihn unruhig. »Diese Woche bin ich in der Art Review. « Ein paar seiner Arbeiten hängen an den Wänden. Er mag seine Arbeit. Eine Freundin ist während einer Party mit ihrer Handtasche und ihrem dicken Arsch, er erzählt das genau so, an eine seiner Skulpturen gekommen. »Die Skulptur«, er hebt beide Arme um sie in der Luft zu umfassen, »zerbricht nicht, wabert einfach durch den Raum.« Und er macht ein Geräusch,das wie ein Rauschen klingen soll: »Perfekte Architektur.« Gibt es als Künstler ein Machtgefühl? »Wenn man jemanden am Telefon hat, der unbedingt ein Bild kaufen will …« Und überlegt dann: »Nein, Macht ist natürlich total doof.« Die Villa Stuck in München sei großartig, sagt er, man solle nur noch in die Villa Stuck gehen. Das Lenbachhaus findet er so schlecht nicht, aber doch doch, der ganze Installationskram ist scheiße. Nein, man sollte die Kuratoren erschießen. Bam Bam Bam. Der Zyniker, der die Menschen verachtet. Die Rolle spielt er gut. Ein bisschen Glanz der Großstadt, dann der Glanz der Sammler und Galeristen. Einen Glanz, den man nicht loslassen möchte. Er ist ständig unter Druck: »Ich bin immer aggro.« Einmal hat ihm jemand auf der Straße mit dem Wagen den Weg abgeschnitten. Er hat ihm eine reingehauen, einfach so. Ein Künstler muss das tun, was ein Künstler muss. Auch das gehört zu seiner Inszenierung. Und er sagt: »Darum geht es ja. Ich weiß nicht, wie man loslässt, deshalb überhöhe ich in meinen Dingen alles.« Hast du dich schon mal geschämt, ein Künstler zu sein? »Ja klar. Ich schäme mich ständig.« Dann sagt er: »Kennst du Dash Snow? Der ist in einem verfickten Hotelzimmer mit einer Platinkarte verendet. Und kommt aus einer saureichen Familie. Aber alle reden davon, dass er auf der Straße gelebt hat.«
    Wir müssen alle Künstler werden. Sagte der Philosoph Jean-Francois Lyotard. Ein Ziel, das auch Künstler wieder verinnerlichen dürfen. Wie die Kunst hat sich auch der Künstler ausdifferenziert. Er kann alles sein. Und alles machen. Aber er macht nur mit.



Die Tradition des Kunsthassens
    »Dumme Bilder« hieß 1978 der Titel einer Ausstellung in der Galerie des Künstlers Dieter Hacker, in der dieser populäre Bilder des 20 . Jahrhunderts zeigte. Wenige Jahre später veröffentlichte der Künstler und Autor Hans Platschek einen Essayband mit dem Titel Über die Dummheit in der Malerei. Platschek seziert die Kunstkritik (»Phrasenmüll und Inserate«), den Kunstliebhaber (»Der gehorsame Kunstfreund«) und den Künstler (»Beuys: Der Mann mit dem Hut«) gleichermaßen.
    Die Zeiten haben sich seitdem radikal gewandelt. Heute gibt es eine Vielzahl an Sachbüchern und Katalogen, die aufklären, was Kunst sei und welche Kunst wichtig und damit zu bewundern oder kaufen wäre. Das heißt natürlich nicht, dass die Dummheit in der Kunst verschwunden ist. Widerspruchslose, anmaßende, sich wiederholende Kunst, der eine Auseinandersetzung oder Weiterführung mit der Kunstgeschichte fehlt, gibt es reichlich. Doch wer würde diese Kunst heute benennen wollen? Anders gefragt: Kunst ist im besten Falle freie Meinungsäußerung – was ist aber mit der freien Meinungsäußerung über Kunst?
    Das Bedürfnis, Kunst zu hassen, ist – zum Glück – nicht vorbei. Und es hat Tradition. Künstler,

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