Kunst hassen
New York Times: »What I saw before me was the critic-in-chief of The New York Times saying: In looking at a painting today, ›to lack a persuasive theory is to lack something crucial.‹ I read it again. It didn’t say ›something helpful‹ or ›enriching‹ or even ›extremely valuable.‹ No, the word was crucial. In short: frankly, these days, without a theory to go with it, I can’t see a painting.« Wolfe ist entrüstet, dass nunmehr die Theorie die Kunst bestimme und die Kunst ohne Theorie nicht mehr erfahrbar sei. Der Essay traf die Kunstwelt. Wolfe wurde in Retour Oberflächlichkeit und mangelnde Auseinandersetzung mit der Kunstwelt vorgeworfen. Man warf ihm vor, dass er aus seiner Entrüstung heraus geschrieben hatte, nicht aus einer Recherche heraus. Hass ist ein emotionales Thema. Und es ist begleitet von der Angst. Von der Angst vor einem Verlust dessen, was man liebt. Denn letztlich geht es allen, den Theoretikern, Musikern, Schriftstellern,Künstlern und Poeten nicht um die Künstler, nicht um die Kritiker, nicht um die Institutionen – es geht ihnen um die Kunst.
»Das größte Missverständnis der Leute gegenüber ART HATE ist die Annahme, dass es dabei nicht wirklich um Hass auf die Kunst geht«, sagt auch Steve Lowe vom Art Hate Day, »aber es ist noch viel mehr. Es geht um den Hass auf die Scheinbotschaften, mit denen wir ständig bombardiert werden, und die Bevormundungen, wie wir das, was wir sehen, zu interpretieren haben. So gesehen ist ART HATE ein Erkundungsprozess. Wir wollen uns mit den Reaktionen auf unsere Aktionen auseinandersetzen. Das Enttäuschende an der Kunst ist ihre ständige Forderung, bewundert zu werden, ihre zügellose Kommerzialisierung, ihr Materialismus, ihre Langweiligkeit und ihr Mangel an Humor, ihr Glaube an die eigene Überlegenheit, ihre Idiotie, ihr entsetzlicher kultureller Faschismus und ihre pornographische Verführung. Schlimmer ist es dadurch geworden, dass die Kulturindustrie Gott als Sonntagsbeschäftigung abgelöst hat. Inzwischen ist sie eine unverfängliche Form sozialer Kontrolle und ein Spielzeug der Reichen, das einfach danach schreit, gehasst zu werden.«
Billy Childish hatte seine ersten Solo- ART HATE- Events während seiner Punkrock-Zeit im Jahr 1977 . Sein Freund, KLF -Gründer und eine Million-Pfund-Verbrenner Jimmy Cauty, verlieh 1994 als Akt von ART HATE einen mit 40 . 000 £ dotierten Preis an den schlechtesten britischen Künstler. Heute drucken die Mitglieder des Art Hate Days Poster, haben eine Website, eine 45 er Single und ein wenig Presse. Billy Childish hat seine eigenen Ideale zur Kampagne geformt. In einem Interview sagt er: »Ich möchtewach sein. Ich möchte nicht in eine Gruppe, in der alle dieselbe Meinung haben. Man sollte immer etwas dagegen sagen. Die Leute müssen aufwachen. Im Leben geht es nur darum, wach zu werden.« Kunst hassen ist zeitlos.
Epilog
Der Kunsthass setzt voraus, dass es in der Kunst auch die Liebe gibt. Das ist die Hoffnung dieses Buchs, das aufgrund einer Enttäuschung begonnen wurde. Kunst ist der Katalysator unserer Erkenntnis. Wer wir sind und wer wir sein wollen – nichts weniger möchte uns die Kunst erzählen. Doch dieses Versprechen wird kaum noch eingelöst. Während der Museums- und Galeriebesuche, den Gesprächen mit Künstlern, Kuratoren, Galeristen und Sammlern, nicht zuletzt in den Begegnungen mit Ausstellungsbesuchern wurde mehr und mehr deutlich, dass die Kunst an Kraft verloren hat. Ich ging die vielen herrschaftlichen Treppen der Ausstellungshäuser hinauf und hinab, sah durch meterhohe Glasfassaden die immergleichen Sammlungen auf die Besucher warten, las mich durch grotesk überhöhte Pressetexte, ließ mich von Aufsichten korrigieren, dass ich meinen Pulli umbinden müsse, hörte den Galeristen und Sammlern beim Lachen zu und sah in die müden Gesichter der Kunstmessenbesucher. Dennoch: Ich hatte Hoffnung. Ich stellte mir vor, wie ich im nächsten Ausstellungsraum, im nächsten Atelier, in der nächsten Ecke überrascht werde, begeistert sogar, erschrocken, verstört oder vielleicht verzaubert. Doch die Wirklichkeit war verkrampft, langweilig und traurig. Was kann Kunst? Kunst ruft im besten Falle Irritation hervor. Die These, die zu diesem Buch geführt hat, stellt fest, dass diese Irritation jedoch nicht mehr von der Kunst ausgeht. Wir haben das Gefühl zur Kunst verloren. Undsind zum distanzierten Betrachter geworden. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, einige nenne
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