Kunst hassen
ich in diesem Buch.
Kunst läuft immer dann Gefahr, belanglos zu werden, wenn ihre Eigenständigkeit gefährdet ist. Das beste Beispiel ist dafür sicher der Kunstmarkt. Es sind auch die starren Institutionen, es ist die fehlende Kunstkritik, es ist die Hierarchie innerhalb des Kunstbetriebs, es ist der Geniekult und das Tabu vor der Ablehnung von Kunst, die letztlich aus einer Möglichkeit eine Gewissheit macht. Wer ungeteilte Aufmerksamkeit für Kunst und Betrachter sucht, findet stattdessen Kunst- und Betrachterbeleidigungen. Die moderne Idee des Museums, eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Gesellschaft zu spielen, wird heute nicht eingelöst. Konsum wurde mit Freiheit verwechselt. Die Kunst war Sehnsuchtort für viele. Heute ist sie ein Veranstaltungsort. Die Kunsthistorikerin Beatrice von Bismarck spricht in diesem Zusammenhang von der Dualität von Verlangen und Entzug. Wir verlangen nach der Kunst, denn je näher wir der Kunst kommen, desto näher kommen wir uns selbst. Kunst ist ein Geheimnis, wie die Liebe. Sie schlägt ein, sie wirft uns um, wir wissen nicht, warum. Die Kunstbetrachtung heute lässt Gefühle jedoch nicht zu. Ganz im Sinne der wissenschaftlichen Theorie bleibt es bei dem Angebot einer Analyse. Einer stillen, demütigen Analyse. Die kollektive Angst, etwas »falsch« zu deuten, sitzt tief. Wir trauen uns eine subjektive Betrachtung, ein eigenes Urteil nicht zu, weil es als unqualifiziert gilt. Das Museum weiß es.
Kunst braucht Ehrlichkeit, wir sind aber nicht ehrlich. Kunst hassen ist eine Annäherung. Eine Ablehnung, die zu einer Auseinandersetzung führt. Es ist eine Chance, die Dinge niederzureißen, um neu zu beginnen. Dennwir brauchen die Kunst, und die Kunst braucht uns. Wenn Kunst sich schon nicht als Gegenmacht zeigt, dann zeigen sich die Betrachter jetzt als Gegenmacht zur Kunstwelt. Kunst hassen wird vom Geschmack geleitet sein. Aber es ist ein guter Geschmack. Liebe braucht Ehrlichkeit, sonst fehlt es ihr an Tiefe. So sollte also jeder, der auf die Frage: »Was ist das Innovativste, was Sie kürzlich gesehen haben?« und keine Antwort darauf findet, ehrlich sagen können: »Nichts.«
Literatur
Die Verklärung des Gewöhnlichen , von Arthur C. Danto, Suhrkamp.
Die Liebe zur Kunst. Europäische Kunstmuseen und ihre Besucher, von Pierre Bourdieu und Alain Darbel, UVK Medien Verlagsgesellschaft Konstanz.
Das gemalte Wort, von Tom Wolfe, Ullstein Verlag.
»Art in Context. Überlegungen zum Stellenwert von Kunst im Wandel gesellschaftlicher und ökonomischer Zusammenhänge«, von Prof. Dr. Harald Falckenberg, November 2010 im Rahmen des Symposiums BRILLIANT VOLUME an der Universität der Künste Berlin.
»What the Guards see«, aus: Consumer Research For Museum Marketers, Audience Insights money can’t buy, Plymouth 2010 .
»Messages in bottles«, aus: Visitor Voices, Museum Exhibitions , Polloch / McLean, Washington 2007 , Richard Toon.
Danke
Mein besonderer Dank gilt Jan Abele, der mich bei dieser Arbeit außerordentlich unterstützt hat. Zudem gilt mein besonderer Dank Michael Zöllner, der von Beginn an an dieses Buch geglaubt hat. Ich danke Alexander Ruda, der mir den Raum gegeben hat, dieses Buch zu schreiben. Dr. Dagmar Danko für ihre Anregungen und Antworten. Ich danke Ralf Ziervogel für die Anregungen und gemeinsamen Ausstellungsbesuche. Und ich danke Michael Gaeb, ohne den es dieses Buch nicht geben würde. Allen Gesprächspartnern und weiteren Personen, die dieses Buch unterstützt und hier nicht genannt wurden: Danke.
Informationen zur Autorin
© Holger Homann
Nicole Zepter , geboren 1976, studierte Philosophie, bevor sie sich als Journalistin selbständig machte. Sie arbeitete als Chefredakteurin eines großen deutschen Magazins und für die Süddeutsche Zeitung. Sie lebt in Berlin.
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