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Kunst hassen

Kunst hassen

Titel: Kunst hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Zepter
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Philosophen, Poeten, Schriftsteller, sie alle hassten und hassen Kunst. Der französische Philosoph und Künstler Jean Baudrillard veröffentlichte 1996 einen Hass-Artikel in der französischen Libération :»Le complot de l’art«, die Verschwörung in der Kunst. Er behauptet darin unter anderem, dass Kunst überall existiere, nur nicht in der Kunst. Kunst wäre nur noch mit sich selbst beschäftigt. Sie habe den Zustand ästhetischer Bedeutungslosigkeit erreicht und, wie die Pornografie, die Sehnsucht nach der Illusion vollständig verloren. Baudrillard ist maßlos entsetzt und verzweifelt. Er wünscht sich nur noch eine Kunsterfahrung, die eben nicht durch Kuratoren und Galeristen ausgewählt und vermittelt wird, sondern davon frei zugänglich ist. Atelierzugang für jedermann!
    In der Tradition eines Dieter Hacker steht auch der Künstler und Musiker Billy Childish, der sagt: »Viele Künstler versuchen, aktuell zu sein, aber im nächsten Monat ist es schon längst wieder out, ganz einfach antik. Deshalb ist Kunst so scheiße. Man muss heutzutage Selbstachtung haben: Es ist wichtig zu gucken, wie man lebt. Wir leben in einer ganz kommerziellen Welt. Wir machen viele Fehler. Wir wollen alles auf den kleinsten, gemeinsamen Nenner bringen, ›Lustiges für jedermann‹. Das ist nicht my cup of tea. Andererseits ist es gut, dass es so etwas gibt. Man weiß letztendlich, wo der Müll liegt.«
    Childish, 52 , gehört zum Punk-Establishment in Großbritannien. Er sieht ein wenig so aus, als wäre er von einem Planwagen gefallen: ein massiver Schnäuzer unter der Nase, graubraune, bewusst unmoderne Kleidung. Er wird von Musikern wie den White Stripes oder The Hives sowie Künstlern als kompromisslose Independent-Ikone verehrt. Er macht Musik, schreibt, malt und protestiert. 2009 hat Childish seine freie Meinungsäußerung zu einem Event gemacht: dem Art Hate Day. Der L- 13 Light Industrial Workshop and Private Ladies and Gentlemen’s Club for Art,Leisure and the Disruptive Betterment of Culture ist der dazugehörige Kunstraum in London Clerkenwell. Hier wird Kunst ausgestellt und über das Kunsthassen nachgedacht. Das Ergebnis dieser Gedanken schwebt zwischen Ironie und faschistischem Ernst. Der L- 13 Galerist Steven Lowe erzählt, was das für das Kollektiv bedeutet: »Während der ersten ART HATE -Kampagne, dem National Art Hate Day 2009 , wurde ganz klar gesagt: ›Alle Kunst ist verdorben.‹ Das hieß auch: ›Wenn dir während der National Art Hate Week ein Kind ein Bild überreicht, dann wende dich angewidert ab.‹ Gehasst werden kann alle Kunst in all ihren Formen. ART HATE macht hier keine Unterschiede. Wir bitten die Leute einfach nur, nicht mehr so zu tun, als würden sie Kunst mögen oder verstehen.«
Der Geist des Widerspruchs
    Eine durchaus angenehme Bitte, die jeden Einzelnen zum Selberdenken auffordert. Denn welche Wahrheit gilt in der Kunst? Und welche Wahrheit verträgt sie? In der Wissenschaft gilt jede Wahrheit bis auf weiteres. Bis auf das nächste Forschungsergebnis, bis auf eine Studie, die dieses oder jenes Ergebnis wieder revidiert. Wir müssen umdenken, heißt es dann, und dann wird umgedacht und geforscht und eine neue Wahrheit gefunden. Kunst braucht jedoch ein anderes Korrektiv, da sie nicht nur analytisch, sondern auch sinnlich-emotional erfahrbar ist. Sie ist heute liberaler Höhepunkt unserer Gesellschaft – Kritik gegenüber jedoch reaktionär eingestellt. Vielleicht, weil eine Kritik an der Kunst auch immer eine Kritik an uns selbst ist? Sind wir deshalb so empfindlich? Es ist doch durchaus legitim, nachzufragen, warum ein Künstler akzeptiert wirdoder nicht. Oder welchen künstlerischen Wert ein Kunstwerk hat. Der Geist des Widerspruchs ist nur noch Ideal, er ist verflogen. Deshalb sind Kunsthasser auch vom Idealismus getrieben. »Der wahre Zweck von ART HATE ist es, die Toten aufzuwecken und den Blinden zum Sehen zu verhelfen. Wer Kunst liebt, muss notwendigerweise Kunst hassen, und umgekehrt gilt dies natürlich auch. Unsere Rolle besteht darin, die Seele von der Tyrannei des Egos zu befreien. Kunst kann frei sein, wenn man das Spielen nicht vergisst.« So zumindest Steve Lowe.
    Der Schriftsteller Tom Wolfe formulierte seinen Kunsthasser-Text wiederum gegen die Verschwörung der Theoretiker. In seinem Essay »The painted word«, das gemalte Wort (siehe auch Kapitel: Kunst hassen, weil es ein hierarchisches System ist), schreibt er mit entsetztem Blick auf seine Morgenlektüre der

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