Kunstblut (German Edition)
Polizei. Können wir uns treffen in die Bar am Kaiserteisch, morgen um Mittag?«
Nachdenklich trommelte ich auf meiner Schreibtischplatte. Madame Toussaints so radikaler Stimmungswechsel machte mich neugierig. Ich notierte den Termin und wartete auf die nächste Nachricht. Es war ein kurzes Gebelle von Fahrenbach. Ich rief ihn zurück. Den Hintergrundgeräuschen nach war er noch auf dem Jan-Wellem-Platz.
»Haben Sie’s mal wieder geschafft, Kant? Was glauben Sie, wie lange ich mich von Ihnen noch veräppeln lasse? Wo waren Sie vor dreißig Minuten?«
»Welche Antwort erwarten Sie darauf, Fahrenbach? Lassen Sie uns doch vernünftig miteinander reden.«
»Vernünftig? Wenn Sie weiter versuchen, meine Leute zu verschaukeln, lass ich Sie festnehmen!«
»Ich glaube, Pollack würde Ihnen davon abraten.«
Er murmelte etwas, ich verstand »Mist«.
»Sagt Ihnen ›der Zerhacker‹ was?«, fragte ich.
Er reagierte unvorhergesehen heftig. »Verdammte Scheiße, Kant! Verarschen Sie mich nicht! Sie waren doch eben hier! Glauben Sie bloß nicht, ich hätte Sie nicht erkannt, Sie und Ihren schwarzen Reporter-Freund! Sie wissen doch genau, was hier los ist!«
»Ich weiß nur, dass Sie eine neue Leiche haben.«
»Schön wär’s! Bisher habe ich nur einen Haufen Innereien!«
»Und das war ›der Zerhacker‹?«
Er antwortete nicht sofort. Als er wieder sprach, klang seine Stimme, als käme er gerade von einer Fortbildung in Deeskalations-Technik.
»Wir sollten das alles nicht am Telefon besprechen, aus verschiedenen Gründen. Ich schlage vor, Sie kommen morgen früh in mein Büro. Um acht. Darf ich vielleicht noch die Frage stellen, woher Sie diesen Namen kennen?«
»Er hat mich angerufen.«
Seine Fortbildung zeitigte keine sehr nachhaltige Wirkung. »Nehmen Sie mich nicht auf den Arm, Kant«, zischte er.
»Der Anruf kam gegen 22 Uhr 45. Sie hören doch bestimmt mein Telefon ab …«
»Glauben Sie doch nicht, ich würde Ihnen das sagen!«, brüllte Fahrenbach.
»Natürlich nicht. Aber falls Sie es tun: Hören Sie sich den Anruf mal an. Vielleicht können Sie ja feststellen, woher er kam. Ich tippe aufs Internet.«
Ich legte auf und ging zur Bar. Mit Bedauern diagnostizierte ich galoppierende Schwindsucht bei meinem Calvados, nichtsdestoweniger gab ich mir die Genehmigung für einen Dreifachen. Mit dem Glas zog ich mich ins Sport- und Musikzimmer zurück und setzte mich an meine Harfe. Den Calvados stellte ich nach dem Genuss einer phantastischen Nase und einem entschlossenen Schluck daneben auf dem Boden ab. »La Source« von Alphonse Hasselmans lag auf dem Notenpult. Ich zog die Kimber aus dem Schulterhalfter und legte sie darauf ab, dann nahm ich den Stimmschlüssel auf und stimmte das Instrument durch.
Ich würde es wieder nicht schaffen, das Stück fehlerfrei zu spielen, doch darauf kam es nicht an, nicht am Ende eines solchen Tages. Gedankenverloren strich ich mit dem Handrücken über das geschnitzte Vogelaugenahorn meines alten Mädchens, nahm noch einen Schluck Calvados und begann zu spielen.
DREI
Als ich vor meiner Haustür in das Taxi stieg, waren weder ein Passat noch ein BMW zu sehen. Der Fahrer brachte mich auf einer erstaunlichen Route, die sich sehr negativ auf sein Trinkgeld auswirkte, zum Jürgensplatz.
Fahrenbach sah schrecklich aus. Sein sonst so rosiger Teint war von käsigem Gelb; vor ihm auf dem Schreibtisch stand ein überquellender Ascher neben einer Kaffeetasse. Er schien nicht gut geschlafen zu haben.
»Was genau ist am Jan-Wellem-Platz passiert?«, fragte ich.
»Jemand hat einen großen Haufen lebenswichtiger Organe auf einen Parkplatz gelegt und ein paar Eimer Blut ausgekippt. Nichts weiter.«
»Gab es wieder eine Signatur?«
»Kein Kommentar.«
»Fahrenbach, es wird sowieso heute noch herauskommen.«
»Wenn nicht, sorgen Sie dafür, was?«
»Das wird nicht nötig sein, und das wissen Sie genau.«
Er schnaufte. »Na ja. Wenn schon. Dieses Mal war es nicht direkt eine Signatur. ›Quyll für den Zerhacker‹, stand da auf dem Pfeiler. Jetzt fragen Sie mich bitte nicht, was das zu bedeuten hat. Wir arbeiten dran.«
»Haben Sie denn den Rest der Leiche mittlerweile gefunden?«, fragte ich.
»Nein.« Er hustete so etwas wie ein Lachen hervor. »Und ehrlich gesagt suchen wir auch nicht mehr sehr intensiv.«
Ich sah ihn fragend an, aber sein Lachen steigerte sich noch. Der fette Körper wabbelte in seinem Bürostuhl. Fahrenbach fingerte eine West aus der Packung, dabei
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