Kunstblut (German Edition)
gelesen?«
»Coelho, ›Der Alchimist‹, glaub ich.«
»Seit wann liest du Mädchen-Bücher?«
»Hat jemand bei mir liegen gelassen.«
Friedel griente. »Na ja. Aber ich hoffe, du hast Recht. Wenn die Morde tatsächlich in dem Tempo weitergehen, kann ich mir vielleicht doch ‘ne größere Wohnung leisten. Mit der Sache mach ich zum ersten Mal seit Monaten wieder richtig Asche.«
»Eigentlich bin ich ja hier, um in deinem Archiv nach Informationen über Schwarzenberger suchen.«
Er wies auf die Ikea-Regale. »Bitte sehr.«
»Wie ist das geordnet?«
Er grinste. »Nach Gefühl. Sag mir, um was es geht, und ich finde was dazu.«
Ich verstand genau. Ein Ein-Mann-Archiv. Kein Archivsystem der Welt – digital oder sonst wie – kann die Querverbindungen herstellen, die ein menschliches Hirn zu speichern in der Lage ist. Leider kann außer diesem Hirn dann kein anderes etwas mit einem solchen Archiv anfangen. Zumindest würde es verdammt lange brauchen.
»Also: Was willst du?«, fragte Friedel.
»Alles, was du über Schwarzenberger hast, über seine Geschäfte, seine Frau, über Wolter und über Madame Toussaint, Schwarzenbergers Angestellte. Und wo wir dabei sind, über van Wygan.«
»Pfffh«, machte Friedel. »Das ist viel Holz.« Er griff zielsicher nach einem Aktendeckel. »Fangen wir hiermit an, drei Jahre her: Nach anonymen Anschuldigungen Verdacht auf Handel mit Kokain im Umfeld der ›Boot‹: Ermittlungen ohne Ergebnis eingestellt …« Er warf den Aktendeckel auf den Schreibtisch und wandte sich wieder dem Regal zu. »Was haben wir noch … auch schön, vor fünf Jahren: Kontakte zu hohen Vertretern der ehemaligen Roten Khmer, mit dem Ziel, illegal Fundstücke aus Angkor Wat zu kaufen: bestritten und unbewiesen …« Genauso zielgerichtet wie zuvor zog er einen Aktendeckel nach dem anderen heraus und warf sie auf einen Haufen. »Dann haben wir: Erpressung eines weißrussischen Kunsthändlers mit kompromittierenden Fotos: Wenige Tage nach Anzeigeerstattung zieht der Mann alle Anschuldigungen zurück und reist überstürzt ab. Beweise? Njet … Und das hier vom vorletzten Jahr: Köttinger Werkzeugmaschinen GmbH, Meinerzhagen. Herr Köttinger war Kunst- Aficionado . In der Vorstandsetage hingen drei echte Klimts mit einem geschätzten Gesamtwert von deutlich über anderthalb Millionen Euro. Nach der Übernahme der Firma durch die Okinumi Inc. leider spurlos verschwunden. Die Japaner waren not amused . Im Sommer letzten Jahres taucht eines der Bilder in Australien auf. Der Käufer behauptet, das Bild über Schwarzenberger gekauft zu haben, Schwarzenberger verklagt ihn wegen übler Nachrede. Und gewinnt. Ende der Geschichte. Fällt mir noch was ein? Ach ja, hier …« Plötzlich hielt er inne und drehte den Kopf in Richtung des Funkscanners. Die ganze Zeit über hatte der Polizeifunk gleichförmig unsere Unterhaltung begleitet. Aber seit einigen Augenblicken waren die Gespräche auffällig hektisch geworden. Friedel drehte lauter.
»… noch nie gesehen, alles voll Blut. Ungeheure Sauerei.« … »Ich wiederhole, Düssel 1432: Jan-Wellem-Platz Nord, unter dem Tausendfüßler, richtig?« … »Korrekt, Düssel.« … » RTW rollt, Düssel 1432.« … »Wir brauchen keinen RTW , wir brauchen die Stadtreinigung!«
Wir sahen uns an.
»Bist du mit dem Auto da?«, fragte Friedel und warf die Mappe zu den anderen.
»Ich hab ein Taxi vor der Tür stehen.«
Friedel warf seine Lederjacke über, griff sich den Scanner und einen Alukoffer mit Nikon-Aufkleber. Ich nahm die Mappen vom Schreibtisch.
»Nix da, die bleiben hier«, blaffte Friedel und stürmte aus der Tür.
Widerwillig ließ ich sie liegen und folgte ihm. Er verriegelte hektisch zwei seiner Schlösser hinter uns, und wir stürmten die Treppe hinunter.
* * *
Herr Kim passte seinen Fahrstil unserer Stimmung an. Er bog mit quietschenden Reifen in die Martinstraße und knallte mit siebzig durch die Tempo-dreißig-Zone. In den Funksprüchen aus dem Scanner war von »zahlreichen Leichenteilen« die Rede. Die Stimmen einiger Beamter klangen belegt. Herr Kim überfuhr eine rote Ampel an der Neusser Straße. Auf der Graf-Adolf-Straße überholte ein Polizeiwagen mit Blaulicht und Martinshorn.
»Ich nehme an, die haben gerade keine Zeit, sich um uns zu kümmern«, sagte Herr Kim und hängte sich dran, als der Streifenwagen nach links auf die Berliner Allee abbog. Er blieb auch dahinter, als er über die rote Ampel an der Steinstraße rollte. Schon
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