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Kunstblut (German Edition)

Kunstblut (German Edition)

Titel: Kunstblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schüller
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ich es in Erinnerung hatte.
    Auch das Schloss des Aktenschrankes im Arbeitszimmer war unversehrt, aber einen wirklichen Profi hätte es nicht abgehalten. Soweit auf den ersten Blick festzustellen war, fehlte nichts aus den Hängeregistern, doch als ich die Hand auf den Kopierer legte, hatte ich das Gefühl, er sei wärmer, als er sein sollte.
    Das allgemeine Interesse an meiner Wohnung begann mir auf die Nerven zu gehen. Ich zog die unterste Schublade des Aktenschrankes auf und nahm die Büroflasche Aberlour heraus. Ich schenkte mir ein und setzte einen winzigen Spritzer Evian zu. Lange hielt ich den Schwenker unter meine Nase und genoss mit geschlossenen Augen das Aroma, bevor ich einen kräftigen Schluck nahm. Dann schaltete ich den PC ein – und erhielt eine erstaunliche Meldung.
    »Disc error«, stand da lapidar, »No disc«.
    Ratlos starrte ich auf die kleine weiße Schrift auf dem schwarzen Bildschirm. Mit dem PC arbeitete ich konsequent offline, um ihn allen Attacken aus dem Netz zu entziehen. Hier befanden sich sämtliche wichtigen Dokumente. Im Netz arbeitete ich nur mit dem Laptop, und auf dessen Festplatte fand sich außer einigen unterhaltsamen MPGS nichts von Interesse.
    Ich startete den Rechner neu, aber das Resultat blieb dasselbe.
    »No disc.«
    No fun, dachte ich und stellte mein Glas ab. Ich mühte mich unter den Schreibtisch. An der Rückseite des Gerätes war nichts auffällig. Ich zog den Rechner hervor und suchte nach einem Schraubenzieher. Als ich das Gehäuse offen hatte, wurde die Fehlermeldung plötzlich überaus verständlich:
    No disc – meine Festplatte war weg. Etwa dreißig Sekunden lang starrte ich auf den leeren Steckplatz, bevor meine Reaktion wieder in Gang kam. Ich griff nach dem Telefon und rief Katja im »Mühlhaus« an. Es klingelte sehr lange, bis sie sich meldete.
    »Ich bin’s. War der Bote schon da?«
    »Auch dir einen schönen guten Morgen, Tiberius Josephus. Danke der Nachfrage, mir geht’s gut, und selbst?«, war die Antwort.
    »Sorry, Katja. Es ist verdammt wichtig! War der Mann schon da?«
    »Aber ja. Und ich habe den Umschlag wunschgemäß deiner blondierten Zicke weitergegeben. Nicht, dass sie sich bedankt hätte.«
    »Sie hat ihn schon?«
    »Die Dame hat vor zwei Minuten das Lokal verlassen.«
    Ich unterdrückte unvollständig ein Stöhnen.
    »Was hab ich jetzt wieder falsch gemacht?«, fragte sie mit bösem Unterton.
    »Nichts, Darling , gar nichts. Es ist alles in Ordnung«, sagte ich, und legte auf. Langsam ging ich die Treppe hinunter. Im Musikzimmer hockte ich mich hinter mein altes Mädchen und zupfte ein paar kraftlose Töne.
    Fehler, Herr Kant, dachte ich. Keine Entschuldigung. Fehler. Du hättest noch eine Kopie in den Safe legen müssen. Frau Wolter hatte die Zahlen, und ich hatte sie nicht. Aber jemand anderes hatte sie jetzt.
    Ich legte die Kimber auf das Notenpult, strich über die Saiten und griff nach dem gummiüberzogenen Stimmschlüssel. Während ich Saite für Saite stimmte, rief ich mir Wolters Blatt wieder in Erinnerung. Die Zahlenkolonnen hatten mir auf den ersten Blick keinen Anhaltspunkt zu ihrer Entschlüsselung geboten. In die üblichen Schemata von Telefon- oder Kontonummern hatte sie nicht gepasst. Aber jemand, der einen Ansatz hatte, der wusste, wonach er suchte, mochte erheblich erfolgreicher sein als ich. Ich griff einen C-Dur-Dreiklang und gab den Versuch auf, eine sauber temperierte Stimmung hinzubekommen, während meine Gedanken woanders waren.
    Das Telefon begann zu klingeln, die Nummer wurde nicht angezeigt. Ich meldete mich. Es war Doktor Tokohiro.
    »Was verschafft mir die unverhoffte Ehre Ihres Anrufes?«, fragte ich und versuchte, einen Ton zu treffen, den ein Japaner für höflich hält.
    »Es hat sich eine Entwicklung ergeben, die es für uns beide sinnvoll macht, ein wenig Zeit miteinander zu verbringen; vielleicht bei einem gemeinsamen Essen. Unglücklicherweise jedoch bin ich erst morgen wieder in der Stadt.«
    »Ihr Ansinnen ehrt mich über die Maßen, Tokohiro San. Ist die Frage erlaubt, um welche Art Entwicklung es sich handelt?«
    »Ich bin zufällig in Besitz eines Gegenstandes gelangt, an dem Sie, so vermute ich, sehr interessiert sein dürften. Vielleicht gelingt es uns ja, unsere Interessenlagen zu koordinieren. Es würde mich freuen.«
    »Was für ein Gegenstand?«
    »Ein … elektronischer, den Sie bereits vermissen. Gewiss werden Sie Sicherheitskopien haben, aber ich glaube, es sollte Ihnen doch daran gelegen

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