Kunstgriff
so heimlich vorging, zweifellos. Und weil auf den ersten Blick keine Verbindung zwischen ihm und den Opfern erkennbar war. Trotzdem musste es einen Zusammenhang geben. Zwei der drei Kunsträuber waren tot. Das konnte man unmöglich als einen Zufall betrachten.
Sie durfte keine Hypothese ausschließen. Könnte der Mörder eine Frau sein? Undine? Als jagende Diana mit Pfeil und Bogen? Eine absurde Vorstellung, bei der sie unwillkürlich lächeln musste. Dem neuen Doktor gebührte zumindest eine Randbemerkung in ihrer Liste, obwohl er erst in Erscheinung getreten war, als das Bild gestohlen und das erste Opfer aufgefunden war.
Wie wohl die Sonderkommission vorankam? Sie versuchte es unter Wolferts Mobilnummer, anschließend bei Milano, und rief, als sie beide nicht erreichen konnte, bei Irene Maibaum an, die sich erfreut zeigte und im selben Atemzug verkündete, in Arbeit zu ertrinken.
»Dieser Bogenschütze macht mir Angst! Nicht auszudenken, wenn er wieder …« Sie ließ den Satz unheilvoll unvollendet.
Norma fragt nach den Kommissaren.
»Du hast kein Glück, Norma. Dirk und Luigi sind in der Teamsitzung und wollen anschließend zu einem Außentermin.«
»Dann sag du mir bitte, was die Durchsuchung der WG ergeben hat.«
Irene senkte die Stimme. »Du bringst mich in Teufels Küche.«
»Du darfst frei reden! Ich arbeite ganz offiziell mit Dirk und Luigi zusammen.«
»Sofern es den Bilderdiebstahl betrifft. Aber nicht die Mordfälle.«
Es war stets das gleiche Spiel. Norma appellierte an die kollegialen Zeiten, bis Irene schließlich mit Informationen herausrückte, die in diesem Fall lauteten, dass die Durchsuchung der WG-Räume weder das Gemälde noch die Mordwaffe zu Tage gefördert hatte. Norma hatte nichts anderes erwartet.
Einmal in Fahrt, fügte Irene hinzu, dass die Freundin angegeben habe, Daniel Götz sei vor 8.30 Uhr nicht aus dem Bett gekommen. »Es scheint eine recht lockere Beziehung zu sein.«
»Ich bin Sabine jedenfalls zum ersten Mal begegnet.«
»Dann wird sie bestimmt nicht aus Liebe lügen und ihrem Freund ein falsches Alibi geben.«
»Wohl kaum. Was ist mit Nina?«
»Die Göre durfte nach Hause gehen«, berichtete Irene. »Sie hat den Diebstahl gestanden. Für die Lösegeldforderung sei ihr Freund allein verantwortlich, behauptet sie.«
Wenn sie Glück hatte, kam sie mit dem Diebstahl davon. Ehlers würde sich engagiert dafür einsetzen.
Norma fragte nach Ralf Reisinger. »Sein Alibi ist, was den Mord an Metten betrifft, glaubwürdig, wie ich von Wolfert weiß. Hat man ihn trotzdem vorgeladen?«
»Es kam nur zu einem unverbindlichen Gespräch. Kontakte zwischen Reisinger und Rico Götz sind bisher nicht zu erkennen.«
»Gibt es überhaupt einen Verdächtigen?«
»Wir haben keinen zu bieten. Du vielleicht?«
Norma lächelte ins Telefon und verabschiedete sich. Gleich darauf rief Lutz an. Ob sie ihn zum Mittagessen begleiten wolle? Den Grund behielt er für sich, und sie nahm an, dass er ein wenig Gesellschaft gebrauchen konnte und bei der Gelegenheit erfahren wollte, wie Undine die jüngsten Ereignisse verkraftete. Sie verabredeten sich für 13 Uhr beim Italiener in der Altstadt.
Norma beschloss, die verbleibende Zeit zu nutzen und sich endlich nach dem Kleid für Florenz umzuschauen. Die Reise war aufgeschoben, aber nicht aufgehoben, und das Sommerwetter machte Lust auf einen Einkaufsbummel. Auf dem Weg zum Polo, der im Innenhof nebenan seinen Platz hatte, entdeckte sie Leopold auf einem Mauervorsprung. Er sonnte sich, das blaugraue Fell fühlte sich heiß an. Er schenkte ihr einen hoheitsvollen Blick, als sie in den Wagen stieg. Sie nahm den Weg über die Biebricher Allee, fuhr an den Rhein-Main-Hallen vorbei und in die Wilhelmstraße hinein. Einem Impuls folgend bog sie in die Sonnenberger Straße ab und erreichte den Parkplatz vor einer Jugendstilvilla, in deren Erdgeschoss sich das Immobilienbüro eingerichtet hatte. Die Sekretärin führte Norma in ein Besprechungszimmer. Nach wenigen Minuten erschien der Makler. Er habe wenig Zeit, meinte er ruppig und fügte nach kurzem Überlegen sein Bedauern darüber an, als wäre ihm die Höflichkeitsfloskel soeben in den Sinn gekommen.
Norma fasste sich kurz. »Nur eine Frage. Ich habe gehört, im Dichterviertel soll ein Bürgerhaus verkauft werden.«
Als sie die Adresse nannte, hellte sich sein Gesicht auf. »Ein wunderschönes Objekt mit allen Möglichkeiten. Noch nichts kaputt saniert, wenn Sie verstehen, was ich meine. Vieles
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