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Kunstgriff

Kunstgriff

Titel: Kunstgriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ist noch im Originalzustand.«
    Damit waren wohl die uralten Farbschichten und die morschen Fensterrahmen gemeint.
    »Der Hausbesitzer hat also Kontakt zu Ihnen aufgenommen?«
    Die Makler nickte betroffen. »Ich habe mich mehrmals mit Herrn Götz getroffen. Er hatte es sehr eilig mit dem Verkauf. Leider nicht eilig genug.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Haben Sie nicht von dem neuen Mord im Stadtwald gehört? Herr Götz ist das bedauernswerte Opfer. Das steht heute groß in der Zeitung. Schreckliche Sache!«
    »Heißt das, Rico Götz war bei Ihnen? Nicht sein Bruder Daniel?«
    Die Frage schien ihn zu überraschen. »Ich habe ausschließlich mit Rico Götz gesprochen. Von einem Bruder weiß ich nichts.«
    »Sie hatten demnach keinen Einblick in das Grundbuch?«
    »Soweit war der Stand der Dinge nicht gediehen. Ist der Bruder Miteigentümer und Erbe? Dann werde ich mich an ihn wenden.«
    »Ich fürchte, das ist wenig erfolgversprechend.«
    »So wie die Vermietung Ihrer Wohnung, Frau Tann«, sagte er streng. »Bisher hatten Sie gegen jeden Interessenten Einwände. Wollen Sie überhaupt vermieten?«
    »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht«, bekannte sie.
    »Haben Sie einmal über einen Verkauf nachgedacht? Ich übernehme das gern.«
    Daran zweifelte sie nicht. »Mein verstorbener Mann hing sehr an der Wohnung. Ich glaube nicht, dass ich sie verkaufen möchte. Können wir die Vermietung eine Weile ruhen lassen?«
    »Der Kunde ist König. Wie Sie meinen.«
    Sie durfte sogar den Wagen im Hof stehen lassen. Draußen schulterte sie die Handtasche und setzte die Sonnenbrille auf, bevor sie durch den Kurpark spazierte und auf den rückwärtigen Eingang des Kurhauses zuhielt. Sie durchquerte das prächtige Foyer, schaute im Vorübergehen zur hohen Kuppel hinauf und verließ das Gebäude durch eine der vorderen Drehtüren. Auf dem Bowling Green sprudelten die zwillingsgleichen Kaskadenbrunnen. Das Wasser glänzte im Sonnenschein wie flüssiger Gips.
    Der weitere Weg führte sie unter den Kolonnaden am Theater vorbei und brachte sie unweigerlich auf die Frage zurück, was die seltsame Botschaft an Nina bedeuten mochte. Das Drama, verfasst im Jahr 1931, drehte sich um Glaubensverluste, Sinnsuche und die Orientierungslosigkeit des modernen Menschen am Beispiel einer Industriellenfamilie, wie Norma im Internet nachgelesen hatte. Eindeutig erschien ihr die symbolische Warnung, die sich umgehend erfüllt hatte. Ricos Tod machte Nina zur wahrhaftig Trauernden.
    Sie wanderte am Nassauer Hof entlang und erreichte die Fußgängerzone, in der sie die Boutiquen ansteuern wollte. Dabei kam ihr der Gedanke, sie könnte Lutz ein Geschenk mitbringen, das ihn ein wenig aufmuntern würde. Was lag näher als ein guter Kaffee? Aus der Kleinen Schwalbacher Straße zog ihr das Aroma frisch gerösteter Kaffeebohnen entgegen. Sie betrat die Rösterei und kaufte ein Päckchen, an dem sie genüsslich schnupperte, bevor es in der Handtasche verschwand. Neugierig sah sie sich in dem kleinen Café um, das im Stil der 50er-Jahre eingerichtet war. Weitere Sitzplätze gab es im Innenhof, der von Mauerwerk umschlossen und mit Grünpflanzen geschmückt war. Die Tische standen auf dunklen Holzplanken und waren frei bis auf einen. Wie hineingepresst steckte Milano in einem Korbsessel, als wäre er für alle Zeiten darin gefangen. Wolfert saß dem Kollegen gegenüber und beugte sich über einen Teller.
    Sie aßen schweigend und bemerkten Norma nicht, die sich auf leisen Sohlen näherte. »Das nennt man also einen Außentermin.«
    Milano grinste stumm und biss in ein Baguette.
    Wolfert stand auf und rückte ihr einen Sessel heran. »Setz dich zu uns!«
    Lutz hätte seine Freude an diesem Akt der Höflichkeit gehabt. Milano schaute befremdlich.
    »Willst du mit uns essen?«, fragte Wolfert, nachdem er wieder Platz genommen hatte; nicht ohne zuvor den Hosenstoff über den Knien hinaufzuzupfen.
    »Mir genügt etwas zu trinken. Zum Essen treffe ich mich später mit Lutz.« Sie bestellte ein Wasser. Die Hitze machte durstig.
    Milano schob den leeren Teller in die Tischmitte. »Wie hast du uns gefunden?«
    »Ich habe euch nicht gesucht.«
    Seine Miene verriet, dass er ihr nicht glaubte.
    »Hat sich irgendeine Spur zum Jawlensky aufgetan?«, fragte Wolfert zwischen zwei Bissen.
    »Nichts Neues bisher. Und bei euch?«
    »Wir lassen die DNA von Rico mit den Spuren aus Mettens Wohnung vergleichen. Das kann dauern, wie du weißt.«
    Milano raffte die schwarzen Augenbrauen

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