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Kunstgriff

Kunstgriff

Titel: Kunstgriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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vor. Den Computer ließ sie unberührt, um keine Zeit mit dem Passwort zu verschwenden. Wo anfangen? Ordnung gehörte nicht zu Regerts Tugenden. Auf dem Schreibtisch herrschte ein Wust von Papierstapeln und Zetteln zwischen medizinischen Bänden und Zeitschriften. Ebenso wenig schien ihm an persönlichen Dingen gelegen. Nirgends waren Fotos oder Briefe zu entdecken. Keine Musik-CD, kein Roman, der einen Hinweis auf Regerts Vorlieben geben könnte. Lediglich die Bücher über den Expressionismus und speziell über den Maler Alexej von Jawlensky verrieten eine Leidenschaft.
    Sie las den Zettel, der mit Klebestreifen an die Wand geheftet war, ein Computerausdruck:
    ›»Ach es gibt so viele Maler und so wenig Künstler. Der Künstler lebt still und unbekannt und der Maler ist reich und lebt in Schloss.«
    Alexej von Jawlensky an Galka Scheyer, 1. November 1925‹
     
    Ein Zitat aus den ›Briefwechseln‹, erinnerte sie sich. Als sie den Band aufnahm und darin blätterte, fiel ihr ein gefaltetes Blatt entgegen. Sie überflog die Liste, die auf bemerkenswerte Weise der Aufzählung glich, die sie selbst im Museum angefertigt hatte. Eine Auflistung aller ausgestellten Werke mitsamt der Titel, aus denen die Botschaften formuliert worden waren: Die blauen Berge, Großer Weg – Abend, Landschaft mit rotem Haus, Nikita und alle anderen. Das war der Beweis, nach dem sie gesucht hatte! Also war tatsächlich Dr. Gregor Regert der Verfasser der Botschaften.
    Norma spähte zum Fenster. Ihre Anspannung war kaum noch zu ertragen. Sie wollte nur noch raus, aber ihre Mission war längst nicht beendet. Worin bestand seine Verbindung zu den ›Bogenschützen‹? Sie rieb die Hände an der Jeans trocken und stöberte weiter, bis eine SMS die Suche unterbrach.
    ›Reisinger geht. Jägerkluft und Gewehrtasche. Bleibe dran. Verstärkung kommt.‹
    ›Was ist mit Undine?‹, schrieb Norma eilig zurück.
    ›In Sicherheit. Kollegen bewachen das Haus.‹
    Um Undine brauchte sie sich keine Sorgen zu machen. Zum eigenen Schutz lief sie alle paar Minuten zum Küchenfenster, von dem aus der Fußweg zu sehen war. Was mochte ihn so früh aus dem Haus geführt haben? Bisher hatte sie außer der Titelliste nichts Bemerkenswertes gefunden. Die wenigen Kleidungsstücke im Schrank, zwei Paar Schuhe, die Küchenutensilien, der Fernseher, die Sachen im Büro: Alles wirkte neu angeschafft, als wäre Regert mit leeren Händen nach Wiesbaden gekommen und hätte sein bisheriges Leben auslöschen wollen.
    Entschlossen kehrte sie in die Küche zurück. Sei nicht kindisch, ermutigte sie sich. Er wird schon keine Leiche in der Truhe aufbewahren! Wenn sich nur die Gedanken an Arthur nicht so hartnäckig hielten. Sie holte tief Luft und riss entschlossen den Deckel auf: Unmengen von Fleisch, verpackt in handliche Päckchen und bis zum Rand gestapelt. Wahllos griff sie nach einigen davon. Als Enkelin eines Jägers war sie sicher, das war Wildbret. Keule, Rücken, Blatt. Vom Reh. Mehrere Hasenrücken.
    Nachdenklich packte sie das Fleisch zurück und klappte den Deckel zu. Der Gedanke, der sich ihr aufdrängte, gefiel ihr nicht. Gefiel ihr ganz und gar nicht. Wo zum Teufel hatte er den Bogen versteckt?
    Sie hatte jeden Winkel durchsucht! Die oberen Etagen waren ebenso ausgeräumt wie Kellerräume und Dachboden, und in den Wohnräumen hatte sie nichts entdecken können, das auf seine Jagdleidenschaft hinwies. Oder bekam er das Wild von Reisinger? Aber warum in diesen Mengen? Oder verwahrte er es für den Wilderer? Alles wäre möglich, aber jetzt erst mal raus hier. Nachdenken konnte sie zu Hause in Ruhe und Sicherheit.
    Bevor sie die Kellertür erreichte, kam ein Anruf. Wolfert? Nein, ›Nina‹, zeigte das Display an. Durch ein Rauschen und Kraspeln klang ein unverständliches Hauchen, aus dem sie die Worte ›mitgenommen‹ und ›Wald‹ heraushörte, unterbrochen von einem Schrappen, wie das Reiben von Stoff gegen Stoff, und Ninas verängstigte Stimme. Sollte das ›Doktor‹ bedeuten? Damit riss der Kontakt ab.
    Norma hielt hier drinnen nichts länger. Sie verließ die Villa durch die Haustür und nahm im Garten den verstohlenen Weg, den sie gekommen war. In Gedanken war sie bei Nina. Machte sich das Mädchen einen Spaß? Nein, dafür hatte die Panik zu überzeugend geklungen. Doktor! Meinte sie Regert? In welchem Wald? Was hatte Wolfert gestern beiläufig erwähnt? Er habe Regert auf der Platte getroffen. Dort, wo Metten starb, und wo sie die ersten Hinweise auf

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