Kunterbunte Tiergeschichten
und her und versuchten, aus
dem Fenster zu sehen. Wegen des dichten Schneetreibens war die
Sicht sehr eingeschränkt, manchmal konnten sie kaum noch den Straßenrand erkennen. Ab und zu kam ihnen ein Auto oder ein Räumfahrzeug im Schneckentempo entgegen. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie
endlich im Moor ankamen und den Wagen auf dem zugeschneiten
Parkplatz abstellen konnten.
Im Auto war es inzwischen mollig warm geworden, und als sie die
Autotür aufmachten und die Hunde hinaussprangen, traf sie die Kälte
doppelt stark.
Den Hunden machte es nichts aus. Übermütig sprangen sie umher
und versanken so manches Mal in einer Schneewehe, wo sie sich
dann prustend herausbuddelten, um mit ihrem wilden Spiel weiterzumachen.
Das Ehepaar zog die Schals höher und die Mützen tiefer, stapfte durch
den Schnee und beobachtete die Hunde. Die beiden Hunde folgten
immer wieder neuen Spuren, schnupperten hier und dort und konnten
dabei gar nicht genug Markierungen hinterlassen. Nach einiger Zeit
wollte die Frau vorschlagen, wieder umzukehren, da hörten sie plötzlich einen klagenden Laut in der Stille der weiten Landschaft.
„Hast du das auch gehört? War das etwa ein Wiehern? Aber jetzt sind
doch keine Pferde mehr draußen.“
Sie hielten die Luft an, um besser horchen zu können. Auch die Hunde verhielten sich mucksmäuschenstill, hoben aber lauschend ihre
Köpfchen. Wieder waren Laute zu hören, jetzt schrill und hell. Nun
kam Bewegung in die Hunde, laut bellend liefen sie ein Stück voraus,
um dann witternd ihre Nasen zu heben.
,,Du hast Recht, das sind Pferde“, sagte der Mann, ,,komm, lass uns
noch ein bisschen weitergehen. Vielleicht finden wir sie.“
Wer konnte so herzlos sein und Pferde … falls es Pferde waren, die
sie gehört hatten … mitten im kältesten Frühwinter auf der Weide
lassen? Es war doch nur Schnee rings umher, nirgendwo war Gras,
nirgendwo etwas Fressbares.
Wieder vernahmen sie ein schwaches Wiehern, dieses Mal war es
recht deutlich. Sie liefen eilig hinter den Hunden her, die sich hechelnd einen Weg durch den Schnee bahnten.
Plötzlich sahen sie durch die wirbelnden Flocken schemenhafte Silhouetten. Dicht beieinander, mit hängenden Köpfen, völlig apathisch
und abgemagert, stand eine Herde von mindestens fünfzehn Pferden
in einer Ecke der zugeschneiten Weide. Sie hatten keinen Unterstand
und kein Futter, von Wasser ganz zu schweigen. Nicht einmal Bäume
oder Büsche gab es hier als Schutz vor dem Schnee und dem eisigen
Wind. Die Pferde ließen sich auch nicht durch das Gebell der Hunde
vertreiben. Gewöhnlich erschrecken Pferde bei lauten Geräuschen
und verhalten sich Fremden gegenüber äußerst misstrauisch. Aber
hier geschah nichts. Sie standen einfach nur still und kraftlos da. Wer
weiß, wie lange sie schon im Moor vor sich hinvegetierten?
Seit längerer Zeit war das Ehepaar nicht mehr in dieser Gegend gewesen. Es war wie eine Vorsehung, die sie an diesem Tag hierher
geführt hatte.
Plötzlich entstand etwas Bewegung in der Herde, und ein kleines
braunes Köpfchen mit einem weißen Fleck auf der Stirn lugte neugierig zwischen den großen Pferdeleibern hindurch hinüber zu den
Menschen und den Hunden. Das Fohlen wieherte leise und kam zaghaft auf staksigen dünnen Beinen an den Zaun. Wenn es hätte sprechen können, hätte es bestimmt gesagt: ,,Bitte helft uns, wir haben
Hunger.“
Vorsichtig streckte die Frau ihre Hand aus und streichelte das kleine
Köpfchen. Erstaunt beschnupperte das Pferdekind die Menschenhand, um sich dann schnell wieder zwischen den schützenden Leibern zu verstecken.
,,Das gibt‘s doch gar nicht, ein Fohlen bei diesem eisigen Wetter auf
der Weide? Es kann höchstens eine Woche alt sein.“
Wenn die Mutterstute weder Futter noch Wasser hat, kann sie auch
keine Milch produzieren“, sagte der Mann.
Erschüttert standen sie da und beobachteten die armen Tiere, die
so abgemagert waren, dass Rippen und Hüftknochen stark hervorstachen. ,,Wem sie wohl gehören? Auf jeden Fall müssen wir etwas
unternehmen.“
Als sie wieder im Auto saßen, die Hunde etwas enttäuscht, weil diese
spannende Wanderung schon beendet war, sagte die Frau plötzlich:
,,Zuerst müssen wir den Pferden Heu und Möhren bringen, und danach müssen wir Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit die
Tiere dort wegkommen.“ Der Mann war vollkommen ihrer Meinung.
Auch er war mit seinen Gedanken noch immer bei den ausgehungerten Pferden im Moor.
Nachdem sie
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