Kupferglanz
essen musste. Auch Aniliina nahm ein kleines Stück, an dem sie langsam und wie ein Vögelchen herumpickte. Sie kaute lange auf jedem Krümel herum. Auch vom Tee trank sie nur einen kleinen Schluck. Mit schwacher Stimme fragte sie nach Mikko, der Katze.
Nach dem Tee suchten wir ein passendes Schloss. Einige von Merittas Farbkästen sahen vielversprechend aus, aber bei näherem Hinsehen ließ mich schon die Farbe der Schlösser bezweifeln, dass der Schlüssel passte. Keines von ihnen hatte diesen besonderen Kupferglanz. Außerdem waren die meisten Kästen sowieso offen.
«Im Keller liegt aller mögliche Krempel, probierʹs doch da mal», schlug Aniliina vor.
Im Lagerraum im Keller lagen hauptsächlich mit Textilien gefüllte Pappkartons, in denen ich auf der Suche nach irgendeiner Art von Kassette herumstocherte.
Erst ganz hinten im Keller wurde ich fündig, dort stand eine alte Kommode mit abgesplittertem Furnier. Die Schlüssellöcher an den Schubladen waren zwar gedunkelt, glänzten aber kupfern. Ich war sowieso schon in der Hocke, also probierte ich es zuerst mit der untersten Lade ‐ nein! Die oberste war offen, sie enthielt ein kleineres Fach wie die meisten alten Kommoden. Das Schlüsselloch schien die richtige Größe zu haben. Meine Hände waren schweißnass, als ich den Schlüssel ins Schloss steckte.
Verdammt! Er war eine Spur zu klein und hatte eine falsche Einkerbung. Vor Staub niesend, durchwühlte ich zum Schluss noch den Fahrradschuppen im Hof, erfolglos.
«Gibt es noch irgendeine Stelle, wo Meritta ihre Sachen aufbewahrt haben könnte? », fragte ich Aniliina, als ich wieder im Haus war.
«Ich glaub nicht. Oder warte mal, sie war ja ab und zu in der Kunstschule zur Seidenmalerei und um den Ölkurs zu leiten. Da hat sie auch mit dem Matti Virtanen den Ferienmalkurs für Anfang August geplant, die Papiere müssten da liegen. Außerdem stehen da Unmengen von ihren Farbkästen rum.»
«Hatte Meritta Schlüssel zur Schule?» Aniliina holte die Ersatzschlüssel aus dem Flur und sagte, ich könne sie geliehen haben. Dann erklärte sie, sie ginge jetzt joggen.
«Du spinnst wohl, bei dem Regen!», brüllte ihr Vater.
«Bloß ein paar Kilometer. Das beruhigt, stimmtʹs, Maria?» Wir hatten beim Frühstück in Kuusikangas viel über Sport gesprochen. Ich musste ihr zustimmen, obwohl ich wusste, dass man einer Magersüchtigen nicht erlauben sollte, das eine Stückchen Gebäck wieder abzuarbeiten, das sie sich heute gestattet hatte.
Auch Märten legte keinen Wert auf eine Szene, er schüttelte nur den Kopf, als Aniliina im Jogginganzug im Atelier erschien.
«Warum haben Sie sich eigentlich getrennt?», fragte ich, als Anifiina zur Tür hinausgestürmt war. Märten sah mich nachdenklich an, und ich merkte, dass meine Frage aufdringlich klingen musste. Die Scheidung der Flöjts hatte wohl kaum etwas mit Merittas Ermordung zu tun. Ich wollte einfach so viel wie möglich über Meritta erfahren. Nach kurzem Nachdenken antwortete Märten dann doch.
«Manchmal funktioniert eine Ehe zwischen zwei Menschen, die ganz in ihrer Arbeit aufgehen, manchmal nicht.
Wir gehörten zu der zweiten Gruppe. Eigentlich hätten wir beide nicht heiraten und uns ein Kind zulegen sollen, obwohl wir uns beide sehr über Aniliina gefreut haben. Es fiel einfach auseinander. Wir hatten nie Zeit füreinander, stritten uns dauernd über die Arbeit im Haushalt und die Kinderbetreuung.
Schließlich hat Meritta dann beschlossen, hierher zu ziehen, sowohl wegen der Bergwerkslandschaften als auch deshalb, weil ihre Mutter bereit war, sich um Aniliina zu kümmern. Ich konnte meine Arbeit natürlich nicht im Stich lassen.»
Märten starrte nach draußen, betrachtete das Wasser, das aus der Dachrinne floss, und die vom Wind abgerissenen Birkenblätter, die auf den Pfützen im Hof schwammen.
«Und dann wollte Meritta auch mit anderen Männern zusammen sein, aber sie wollte mich nicht betrügen. Sie wissen wohl, dass Meritta als Nymphomanin verschrien ist. Es stimmt zwar, dass sie oft den Partner wechselte, aber soweit ich weiß, hatte sie immer nur eine Beziehung auf einmal.» Die schmalen Finger des Mannes fuhren durch das spärliche Haar, ein paar dunkle Strähnen über den Ohren. «Sie war eine ganz besondere Frau. Sehr kompromisslos in manchen Dingen. Sie hat bei allen Menschen heftige Gefühle ausgelöst. Irgendwie kann ich mir schon vorstellen, dass jemand sie umgebracht hat.»
Die Tür flog polternd auf, Aniliina wankte herein und
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