Kupferglanz
Stadt gegangen. Von halb neun bis halb zwölf hatte er im Matador gesessen, wo er nach übereinstimmender Aussage der Kellnerinnen und seiner Bekannten ungewöhnlich wenig getrunken hatte, nur zwei große Bier in drei Stunden. Bei Jaskas Normalverbrauch konnte diese Menge kaum Wirkung gehabt haben, und tatsächlich hatte auch die Blutprobe nur 0,6 Promille ergeben. Jaska hatte also relativ nüchtern bleiben wollen.
Er war gegen halb zwölf gegangen und hatte über den Regen geflucht und darüber, dass er seinen Schirm zu Hause gelassen hatte. Einer der Typen, die im Matador gesessen hatten, war davon überzeugt, dass Jaska eine Verabredung hatte. Als er ging, wirkte er gut gelaunt und energisch.
Das konnte ich mir gut vorstellen. Jaska hatte natürlich nur an das Geld gedacht, das er erpressen wollte, an das Demo, das er davon bezahlen würde, an Plattenaufnahmen und Ruhm … Bei dem Teenager Jaska waren diese gelegent-lichen phantastischen Zukunftsträume sympathisch gewesen, bei dem mehrfach gescheiterten Dreißigjährigen wirkten sie jämmerlich.
Nachdem er das Matador verlassen hatte, war Jaska nicht mehr gesehen worden.
Arpikylä schlief in dieser regnerischen Mittwochnacht. Auch in den Häusern, von denen man die Plörre sehen konnte, hatte niemand etwas bemerkt. Der Regen hatte einen Vorhang zugezogen, der jede Aussicht verdeckte.
Elf
Die Kunstschule lag an der gleichen Straße wie das Polizeirevier. Ich holte mir im Depot Gummistiefel ‐ drei Nummern zu groß ‐ und eine Regenjacke, die mir bis zu den Knien reichte, und machte mich auf den Weg. Bei dem heftigen Regen war es mitten am Tag fast dunkel. Auch der Turm war im Regen verschwunden, nur das im Dreiertakt pulsierende rote Warnlicht am Funkmast auf der Turmspitze zeigte, dass er noch an seinem Platz stand.
Das Gebäude der Kunstschule war früher ein ganz normales Doppelhaus gewesen. Jetzt war die Tür mit einem Regenbogen bemalt, der sich an der Hauswand fortsetzte, und die Dachrinnen waren knallrot. Die Tür knarrte, als ich eintrat. Die mit Schränken vollgestellte Diele lag im Dunkel, aber weiter drinnen schien irgendwo Licht. Ich schüttelte die Regentropfen ab und ging den Hur entlang.
«Keinen Schritt näher, oder du hast das Ding im Hals!» Aus der Tür des beleuchteten Zimmers streckte sich mir ein gefährlich aussehendes Palettmesser entgegen. Mein Herz schlug ein paar Purzelbäume. War der Einbrecher, der uns bei den Flöjts entwischt war, kurz vor mir hier aufgetaucht?
«Ich hab den Hörer in der Hand und ruf gerade die Polizei an», fuhr die Stimme fort. Sie kam mir bekannt vor. Ich packte die Messerhand und fing an zu lachen, als ich an ihrem Ende den vor Schreck zitternden Matti fand.
«Verdammt nochmal, was soll denn der Zirkus mit dem Messer?»
«Maria!» Matti sah verlegen aus. «Ich dachte, dass … Ach, vergiss es.»
«Für wen hast du mich gehalten?»
Matti kehrte mir den Rücken zu, legte das Palettmesser in eine Schublade. Er drehte sich nicht zu mir um.
«Ich hab von dem nächtlichen Einbruch bei Flöjts gehört. Ich dachte, vielleicht hat der Kerl Merittas Schlüssel und kommt jetzt hierher. Oder … oder es wäre Meritta selbst.»
«Glaubst du an Gespenster?»
«Wer weiß das schon so genau. Meritta würde ich jedenfalls zutrauen, dass sie spukt.»
«Ja, manche Leute glauben wohl, dass Ermordete erst Ruhe finden, wenn ihr Mörder gefasst ist. Aber warum sollte Meritta gerade dich verfolgen? Vielleicht deshalb, weil deine Fingerabdrücke auf der Brosche sind, die nach ihrem Tod auf dem Turm gefunden wurde? Und zufällig hatte Ella genau so eine Brosche an ihrer Nationaltracht.»
Matti sah mich immer noch nicht an, sondern drehte den Wasserhahn auf und fing an, Pinsel auszuwaschen. Sein ro-sa‐violett gestreiftes Marimekko-Hemd hatte Farbflecken, und auch die dunkelblaue Cordhose sah nach Arbeitskluft aus.
Musste er sich kleiden wie das Stereotyp des Malers oder Architekten? Er hatte garantiert auch eine Baskenmütze. Von den Pinseln lief bräunlich gefärbtes Wasser am Schrank herunter auf seine Mokassins, aber er schien es nicht zu merken.
«Ich weiß nichts von irgendwelchen Broschen», sagte er schließlich. «Und was soll das Gerede von Fingerabdrücken? Mir hat nie jemand welche abgenommen.»
«Bist du mit Ella nach Hause gegangen, nachdem ihr euch von mir verabschiedet habt? Oder bist du womöglich nochmal zum Alten Bergwerk zurück, vielleicht um den Schmuck zu suchen, den Ella verloren
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