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Kupfervenus

Kupfervenus

Titel: Kupfervenus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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stören wolle. Dagegen mußte etwas unternommen werden. Und ich war auch schon dabei, diverse Änderungspläne zu schmieden.
    Leise stand ich auf und machte mich ohne Hilfe fertig. Tags zuvor hatte ich mich bereits allein angezogen und war durch die Wohnung getigert, um meine Kräfte zu testen, aber jetzt wollte ich mich außer Haus wagen, und das war denn doch nicht ganz dasselbe. Zum ersten Mal seit meiner Begegnung mit Priscillus bereitete ich mir selbst den Morgentrunk, gab dem schläfrigen Papagei Wasser und sah mich wieder mit den Augen des Eigentümers in meinen vier Wänden um (wobei mir auffiel, daß der Riß in der Wand sich stetig zu vergrößern schien). Ich trug auch Helena einen Becher hinein. Um sich ihre Sorge nicht anmerken zu lassen, stellte sie sich noch halb schlafend, doch ein Streifchen warmer Wange schob sich unter der Decke hervor, bereit für meinen Abschiedskuß.
    »Gib gut auf dich acht …«
    »Du auch.«
    Auf Beinen, die sich anfühlten wie aus Quark, stakste ich die Treppe hinunter. Doch als ich vor dem Haus einen Dienstmann mit offenem Mund meine Veilchen begaffen sah, schleppte ich mich den ganzen Weg wieder zurück, um mir einen Hut zu suchen. Für den Fall, daß Helena die Tür gehört hatte und sich nun womöglich ängstigte, schaute ich noch rasch bei ihr herein, um sie zu beruhigen.
    Sie war fort.
    Verdutzt ging ich zurück auf den Flur. In der Wohnung war es ganz still; sogar der Papagei hatte den Kopf unter den Flügeln versteckt und war noch einmal eingedöst.
    Ich schlug den Vorhang vor meinem Schlafzimmer zurück. Ihr Becher angewärmter Honigmet stand jetzt zwischen dem Wust von Schreibfedern, Münzen und Kämmen auf meinem Nachttisch; Helena lag im Bett. Sie mußte gleich nachdem ich gegangen war, herübergehuscht und in mein Nest gekrochen sein.
    Sie starrte mich trotzig an, wie ein Hund, der im Augenblick, da sein Herrchen aus dem Haus geht, auf dessen Diwan springt.
    Sie rührte sich nicht. Ich wedelte zur Erklärung mit dem Hut, zögerte und ging dann durchs Zimmer, um ihr nochmals einen Abschiedskuß zu geben. Ich fand dieselbe Wange – doch als ich mich diesmal aufrichtete, folgte sie mir; ihre Arme schlangen sich um meinen Hals, und unsere Lippen trafen sich. Mein Magen verkrampfte sich vor Nervosität. Doch rasch wich alles bange Fragen der Gewißheit: Hier erwartete mich der liebevolle Empfang, auf den nur Helena sich verstand – die, nach der ich mich so sehnte, gestand mir ihr Verlangen …
    Ich bremste mich. » Die Arbeit! « stöhnte ich. Niemand würde die Bestattung des Kochs verschieben, nur weil ich hier herumschäkerte.
    Helena lächelte. Sie hing noch immer an meinem Hals. Ich unternahm zwar einen lahmen Versuch, mich loszumachen, aber meine Hände gingen unterdessen schon eigene Wege und begannen, zielstrebig über ihren Körper zu wandern. Ihre Augen strahlten so voller Liebe und Verheißung, daß ich drauf und dran war, alles andere zu vergessen. »Arbeit, Marcus …«, echote sie. Ich küßte sie wieder.
    »Ich glaube, es ist an der Zeit«, flüsterte ich dicht an ihrem Mund, »daß ich mir angewöhne, zum Mittagessen heimzukommen, wie sich das für einen römischen Haushaltungsvorstand gehört …«
    Helena küßte mich.
    »Bleib da!« murmelte ich. »Rühr dich nicht vom Fleck – bleib schön da liegen und warte auf mich!«
LV
    Als ich diesmal auf die Straße trat, luden gerade ein paar Bauarbeiter ihr Werkzeug von einem Handwagen. Ein gutes Zeichen. Wenn der Besitzer das Haus instandsetzen ließ, würden wir womöglich auch bald neue Nachbarn kriegen und uns nicht mehr vorkommen wie in einem Mausoleum. Und irgendwann – wenn auch wahrscheinlich nicht gleich heute! – konnte ich diese Burschen vielleicht beschwatzen, unseren Riß im Flur mit etwas Roßhaar und Mörtel zuzukleistern.
    Ich fühlte mich gut. Auch wenn ich unterwegs zu einem Begräbnis war, mein Leben sah wieder rosiger aus.
    Ich fühlte mich wie ein Fremder in der eigenen Stadt, und jene beklemmende Stimmung, die den Genesenden beim ersten Ausgang gern beschleicht, überkam auch mich – als ob die Außenwelt Jahrhunderte durchlebt hätte in den wenigen Tagen, die ich nicht dabeigewesen war.
    Ich hatte mich zu früh hinausgetraut. Die frische Luft prickelte schmerzhaft auf der zarten, neugebildeten Haut. Das Gewimmel in den Straßen verstörte mich. Auf Lärm und grelle Farben reagierte mein Hirn plötzlich mit Warnsignalen. Aber den ersten richtigen Schock dieses neuen

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