Kupfervenus
gefaßt, die lauter dummes Geschwätz ablassen würde. Doch zu meinem Glück befand sich das verrauchte Kabuff für die Wahrsagerei offenbar anderswo im Haus; der schmucke Sklavenknabe führte mich statt dessen in ein verblüffend hübsches Empfangszimmer. Der schwarz-weiße Mosaikfußboden war blitzsauber. Die Wände waren in der oberen Hälfte schwarz gestrichen und darunter mit einer schlichten Holztäfelung verkleidet. Deren durch stilisierte Kandelaber unterteilte Felder zierten winzigkleine Goldmedaillons mit Muschelschalen und Blütenzweigen. Zu beiden Seiten eines niedrigen Marmortisches, der bestimmt eine halbe Tonne wog, standen zwei hochlehnige Stühle, wie sie mit Vorliebe von Frauen benutzt werden. Auf dem Tisch befanden sich (ziemlich auffällig plaziert, wie mir schien) an einem Ende ein Astrolabium und am anderen eine offene Schriftrolle mit dem Verzeichnis der Planeten.
Gegenüber stand ein Regal mit sehr alten griechischen Vasen, die einen mir bekannten Auktionator schier aus dem Häuschen gebracht hätten – alle vollkommen, alle von beachtlicher Größe, alle in dem klassischen Stil, dessen wiederkehrende Spiralen, Kreise und stilisierte Antilopen auf einen Sammler mit exquisitem Geschmack hindeuteten.
Die Antiquitäten beeindruckten mich mehr als die Atmosphäre. Abgesehen vom Hauch eines Damenparfums, das an die letzte Besucherin erinnerte, roch ich keinerlei Weihrauch oder andere Duftessenzen, wie man sie sonst an solchen Orten benutzt, um unvorsichtige Schicksalsgläubige zu betäuben. Es gab auch keine klingenden Glöckchen, keine betörende Hintergrundmusik, keine mißgestalteten Zwerge, die aus verborgenen Vitrinen hüpften …
»Willkommen. Womit kann ich dienen?« Die Frau, die lautlos durch den Türvorhang hereingeschlüpft war, sah blitzsauber aus und sprach ruhig, mit angenehmer, kultivierter Stimme. Ihr Latein war besser als meins.
Ich schätzte sie auf etwa sechzig. Ihr schlichtes, dunkles Gewand wurde an den Schultern von zwei kleinen Silberspangen mit Einlegearbeit gehalten. Die bloßen Arme verbarg sie im reichen Faltenwurf des Kleides. Ihr Haar war ziemlich dünn und bis auf ein paar silberne Streifen noch fast schwarz. Ihrem Gesicht fehlte die geheimnisvolle Aura des Berufsstandes, abgesehen von den tiefliegenden, unergründlichen Augen – Augen von undefinierbarer Farbe. Es war das Gesicht einer Geschäftsfrau in der Männerwelt von Rom: zuvorkommend, aber unterschwellig voll eigensinniger Kraft und mit einem kaum wahrnehmbaren Anflug resignierter Bitterkeit.
»Sind Sie die Astrologin?«
Sie preßte die Lippen zusammen, als hätte sie was gegen mich. »Ich bin Tyche.«
»Was auf Griechisch Schicksal heißt – sehr nett ausgedacht!«
»Das klingt wie eine Beleidigung.«
»Ich hab noch allerhand weniger nette Namen in petto für Leute, die den Verzweifelten grundlos Hoffnung machen.«
»Dann muß ich mir merken, daß ich Ihnen keine mache!«
Ich nahm an, daß sie mich nun einer scharfen Prüfung unterziehen würde. Also starrte ich ganz schamlos zurück. »Ich sehe, daß Sie nicht als Kunde zu mir kommen«, meinte sie, obwohl ich dazu noch nichts gesagt hatte. Aber natürlich gehörte es zu ihrem Beruf, so zu tun, als könnte sie Gedanken lesen.
»Mein Name ist Falco …«
»Ihren Namen brauche ich nicht zu wissen.«
»Verschonen Sie mich mit dem Geschwafel. Von solchem Hokuspokus-Gelaber krieg ich bloß Zahnweh.«
»Oh, ich verstehe!« Ihr Gesicht entspannte sich, wurde fast wehmütig. »Sie sind enttäuscht von dem Ambiente hier. Ihnen wäre ein ordentliches Gruselkabinett lieber gewesen. Sie haben eine schnatternde alte Vettel erwartet, die getrocknete Eingeweide mit abgewandtem Gesicht in ein loderndes grünes Feuer wirft, ja? Nun, ich hab mit dem Zauberschnickschnack aufgehört. Der Rauch greift den Putz an … Verraten Sie mir lieber Ihr Geburtsdatum.«
»Wozu?«
»Jeder, der aus anderen Gründen hierherkommt, erwartet doch zumindest eine Gratisprophezeiung.«
»Ich nicht! Aber wenn Sie’s unbedingt wissen wollen – ich bin im März geboren.«
»Fisch oder Widder?«
»Konnte nie ganz geklärt werden. ›Auf der Kippe‹.«
»Das paßt zu Ihnen!«
»Hab ich’s doch gewußt! Sie haben was gegen mich.«
»Geht Ihnen das nicht mit den meisten Menschen so? Ihre Augen haben zuviel gesehen, worüber Sie mit Ihren Freunden nicht reden dürfen.«
»Meine Füße haben zu viele unebene Pflaster abgelatscht auf der Spur zu vieler habgieriger Mädchen, die
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