Kupfervenus
reden.
Er hieß Scaurus, und ich fand ihn weit hinten in einem engen Gang seines Lagers. Auf der einen Seite stapelten sich bis zur Decke roh behauene Travertine für Allzweckbauten, auf der anderen lagerten, von Wolldecken geschützt, kleinere Platten edlen Marmors, aus denen von Selbstlob triefende Grabsteine für zweitklassige Beamte werden würden oder verlogene Soldatendenkmäler und vielleicht auch mal ein ergreifendes Epitaph für ein geliebtes Kind, das nicht hatte leben dürfen.
Scaurus war ein kleiner, kräftiger, staubbedeckter Typ mit Kahlkopf, Mondgesicht und winzigen Ohren, die wie Radnaben rechts und links vom Kopf abstanden. Seine Abmachungen mit der Kundschaft waren selbstredend vertraulich. Und selbstredend ließ sich dieses Hindernis mit einer Bestechungssumme, wie meine Kundschaft sie bieten konnte, bald aus der Welt schaffen.
»Ich hätte ein paar Fragen, die Severina Zotica betreffen. Bestimmt gehört sie zu Ihren bevorzugten Stammkunden – eine Frau mit so vielen Tragödien in der Familie!«
»Ich hab ein oder zwei Aufträge für sie übernommen«, räumte Scaurus ein, ohne sich an meiner witzigen Einleitung zu stören.
»Zwei Ehemänner dahingerafft – und der nächste dräut schon am Horizont! Sehe ich recht, hat sie gerade einen neuen Grabstein bestellt?« Er nickte. »Darf ich den Text für die Inschrift sehen?«
»Severina wollte nur einen Kostenvoranschlag haben und eine Anzahlung auf den Stein leisten.«
»Hat sie Ihnen den Namen des lieben Dahingegangenen genannt?«
»Nein.«
»Also, was für eine Geschichte hat sie Ihnen aufgetischt?«
»Es sind noch andere Auftraggeber beteiligt – der Stein wird aus einem Subskriptionsfonds bezahlt. Die Unterzeichner entscheiden gemeinsam über den Text der Inschrift. Severina muß sie erst fragen.«
»Ach nein! Vielleicht haben die Verwandten dieses armen Tropfs aber auch so viel Anstand und warten seinen Tod ab, ehe sie ihm einen Grabstein stiften!« Ich redete mich in Hitze. »Ist es üblich, daß die Dame ihre Steine im voraus bestellt?«
Scaurus war jetzt auf der Hut. Ein blühendes Geschäft war eine Sache, aber der Beihilfe zu irgendeinem schmutzigen Verbrechen wollte er nun doch nicht bezichtigt werden. Ich warnte ihn, daß ich wiederkommen und mir den fertigen Stein ansehen würde, und dabei ließ ich es bewenden.
Er hatte mir meinen Verdacht auch so bestätigt. Das Horoskop und der Grabstein sprachen für sich. Wenn niemand eingreifen und Severina aufhalten würde, war Hortensius Novus ein toter Mann.
XVII
Manch ein Ermittler leitet jede Information brühwarm weiter. Ich knoble lieber erst mal dran rum. Seit ich Helena Justina kannte, ging das am besten in ihrer Gesellschaft; sie hatte einen scharfen Verstand und obendrein die Gabe, meine Arbeit objektiv zu beurteilen. Ihr Zuspruch tat mir immer wohl – und manchmal steuerte sie auch einen Einfall bei, den ich dann in einen raffinierten Dreh zur Lösung des Falles ummünzen konnte. (Manchmal war Helena auch der Meinung, ich sei ein herablassendes Ekel – ich sage ja, sie ist ein heller Kopf.)
Es war gegen neun, kurz vor dem Abendessen, als ich am Haus des Senators klopfte. Der diensthabende Pförtner war einer meiner alten Widersacher. Er wollte mir einreden, Helena sei ausgegangen.
Ich fragte, wohin. Ins Bad. In welches? Das wisse er nicht. Ich glaubte ihm sowieso kein Wort. Eine Senatorentochter geht schließlich nicht einfach aus, ohne zu hinterlassen, wohin. Sie muß dabei ja nicht unbedingt die Wahrheit sagen. Nur irgendeine Geschichte auftischen, die ihrem edlen Vater vorgaukelt, sein Augapfel sei ein Ausbund an Tugend, und ihrer Mutter (die es besser weiß) neuen Grund zur Sorge gibt.
Ich wechselte ein paar witzige Pointen mit Janus, auch wenn sein Intellekt, ehrlich gesagt, nie mein Niveau erreichte, und wollte gerade gehen, als das verschollene Täubchen heimgeflattert kam.
»Wo bist du gewesen?« fragte ich, hitziger als beabsichtigt.
Sie machte ein erschrockenes Gesicht. »Im Bad …«
Sauber war sie allerdings. Sie sah zum Anbeißen aus. Ihr Haar glänzte; ihre Haut war weich und mit einem unverwechselbaren Blumenöl parfümiert, dessen Duft mich zu einer viel, viel näheren Untersuchung verlockte … Ich geriet wieder in Wallung. Und da ich wußte, daß sie das merkte und mich bestimmt gleich auslachen würde, flüchtete ich mich in Frotzeleien. »Ich komme gerade von einer Wahrsagerin, die mir Pech in der Liebe prophezeit hat. Da mußte ich natürlich
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