Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kupfervenus

Kupfervenus

Titel: Kupfervenus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
Lippen zusammen wie ein armes, verlassenes Mädchen, das versucht, tapfer zu sein. »Heute nacht habe ich wirklich jemanden gebraucht …«
    Ich wandte den Kopf. Sie auch. Es fehlten nur zwei Fingerbreit, und ich hätte sie geküßt. Sie wußte es und machte keine Anstalten, mir auszuweichen. Ich wußte, was passieren würde, wenn ich sie küßte: Ich würde anfangen, mich verantwortlich zu fühlen.
    Auf den Diwan hinter mir gestützt, hievte ich mich hoch.
    Severina rappelte sich ebenfalls auf, wobei sie mir haltsuchend die Hand hinstreckte. Der Wein und die plötzliche Bewegung machten uns beide schwindlig. Sekundenlang taumelten wir gegeneinander, immer noch Hand in Hand.
    Wäre es Helena gewesen, ganz von selbst hätte ich sie in die Arme genommen. Severina war kleiner; ich hätte mich bücken müssen. Sie war übrigens keins von diesen vogelartigen, knochigen Geschöpfen, bei denen ich immer Gänsehaut kriege; unter ihrem losen Hemdchen erkannte ich vielmehr einladende Rundungen. Ihre Haut war rein und weich und duftete verführerisch nach einem seltsam vertrauten Öl. Im Lampenschein und aus nächster Nähe strahlten ihre wintergrauen Augen plötzlich tiefblau. Wir wußten beide, was ich dachte. Ich war gelöst und dementsprechend empfänglich. Ich hatte Sehnsucht nach meiner Herzensdame; auch ich brauchte Gesellschaft.
    Sie versuchte nicht, sich auf die Zehen zu stellen. Sie wollte die Entscheidung – und die Schuld – ganz allein mir aufbürden.
    Zu müde und zu beschwipst, um noch klar denken zu können, suchte ich nach einer Möglichkeit, mich leidlich taktvoll aus der Affäre zu ziehen. »Kein guter Einfall, Zotica.«
    »Nicht aufgelegt?«
    »Schon zu weit hinüber«, schummelte ich galant. In Wahrheit fühlte ich mich so erschöpft, daß ich leicht auf alles hätte eingehen können, was sich in der Horizontale bewerkstelligen ließ.
    »Kaum zu glauben!« antwortete sie, und das klang ziemlich gehässig.
     
    Ich schaffte es, wenn auch mit starker Schlagseite, bis nach Hause.
    Seit Anacrites mich hatte festnehmen lassen, war ich nicht mehr in die neue Wohnung in der Piscina Publica gekommen. Wie tröstlich wäre es gewesen, eine Nachricht von Helena Justina vorzufinden: als kleinen Hinweis darauf, daß sie Sehnsucht nach mir hatte, als Belohnung für mein Vertrauen. Aber da war nichts.
    Freilich konnte ich es einer Senatorentochter kaum verargen, daß sie zu stolz war, den ersten Schritt zu tun. Und nachdem ich erklärt hatte, ich würde warten, bis sie sich rührte, kam ein Annäherungsversuch meinerseits erst recht nicht in Frage …
    Ich verfluchte die Weiber und ging zu Bett.
    Severina wollte nicht mich; sie wollte, daß ich sie begehrte, und das war nicht dasselbe.
    Im übrigen würde es nie und nimmer so weit kommen, dachte ich wütend (denn inzwischen hatte der Alkohol mich aggressiv gemacht), daß ich wegen einem Paar kühler grauer Augen das Mädchen vergaß, das mich wirklich in Rage brachte; das Mädchen, an das ich denken wollte; das Mädchen, dessen braune Augen einmal so deutlich gesagt hatten, sie wolle mich …
    Um meiner Verzweiflung Luft zu machen, schlug ich, so fest ich konnte, mit der geballten Faust gegen die Schlafzimmerwand. Irgendwo in nächster Nähe prasselte ein Hagelschauer von Schutt und Mörtel nieder, was sich furchterregend anhörte – beinahe so, als hätte ich einen Deckenträger verrückt. Es rieselte noch lange im Gebälk.
    Ich tastete im Finstern die Wand ab. Obwohl ich keinen Riß im Verputz finden konnte, lag ich starr vor Schuld und bösen Ahnungen im Bett, angstvoll auf weitere Geräusche lauschend.
    Nach einer Weile vergaß ich zu lauschen und schlief ein.
XXXVIII
    Für eine durchzechte Nacht erwachte ich erstaunlich früh, und schuld daran waren meine Träume – Träume, die mich so furchtbar verstörten, daß ich Sie lieber nicht damit behelligen will.
    Um einer Fortsetzung vorzubeugen, stand ich auf und zog mich an – was allerdings erstaunlich lange dauerte, wenn man bedenkt, daß ich doch bloß eine frische Tunika über die zerknautschte ziehen mußte, in der ich geschlafen hatte, und herausfinden, wo Mama meine Lieblingssandalen versteckt hatte. Während ich mich mit meiner Toilette plagte, lief über mir ein wüstes Gezeter ab. Die Alte von oben schurigelte einen armen Menschen, als hätte der ihrer einzigen Tochter die Jungfernschaft geraubt.
    »Das werden Sie noch bereuen!« schnaubte eine Männerstimme. Froh, ausnahmsweise einmal nicht selbst an den

Weitere Kostenlose Bücher