Kupfervenus
Ich ließ mich widerstandslos von den bedrückenden Bildern überfluten: Novus, mit bloßem Hintern, in unwürdigem Krampf erstarrt. Novus, das Gesicht auf die Fliesen gepreßt, die Züge von wahnsinniger Angst verzerrt …
»Ist Ihnen nicht gut, Falco?« fragte Severina leise.
»Ich hab was gegen Mord! Soll ich Ihnen die Todesszene beschreiben?«
Ich sah, wie ihre Fingerknöchel weiß wurden, so fest umklammerte sie ihren Keramikbecher. »Nur zu, vielleicht kann ich’s ertragen.«
Das Schlimmste hatte ich ihr bereits erzählt. Also ersparte ich mir weitere Details.
Severina schenkte mir nach. Zuvor hatten wir uns jeder selbst bedient – diese Situation vertrug sich nicht mit höflichen Gesten. Es war, als ob ich mit einem Mann trinken würde.
»Machen Sie sowas oft?« fragte ich.
»Nein! Und Sie?«
»Nur, wenn die Erinnerung an das Kopfweh vom letzten Mal sich verflüchtigt hat …«
»Wenn wir uns schon zusammen betrinken, soll ich Sie dann nicht lieber beim Vornamen nennen?«
»Nein.«
Sie nuckelte einen Moment am Daumen. »Ich dachte, Sie wären mein lieber Onkel Marcus?«
»Ich bin Falco – und ich bin nicht lieb!«
»Verstehe – blau, aber auf Distanz!« Sie lachte. Jedesmal, wenn Severina lachte, klang es arrogant – und das reizte mich. »Ich glaube, Sie und ich, wir haben mehr gemeinsam, als Sie zugeben wollen, Falco.«
»Gar nichts haben wir gemeinsam!« Ich goß mir nach. »Novus ist tot. Was nun, Zotica?«
»Nichts.«
» Was war das falsche Wort, pardon! Wer hätte ich fragen sollen.«
»Ach, seien Sie doch nicht so ekelhaft!« schalt sie – doch sie sagte es mit einem leisen Lächeln und einem Glitzern hinter den hellen Wimpern. In Wahrheit forderte sie mich zu noch schärferen Fragen heraus. Das Verhör war ein Nervenkitzel für sie.
Ich war nicht so dumm, mich von einer Verdächtigen provozieren zu lassen, die für ihr Leben gern im Mittelpunkt stand. Statt dessen reckte ich mich träge und fragte obenhin: »Also niemals wieder, hm? Klingt ganz wie das, was ich immer zu sagen pflegte, wenn ein ausgefuchstes Flittchen mit meinem Geld verschwunden war und mich mit gebrochenem Herzen zurückgelassen hatte.«
»Pflegte? Vergangenheitsform?« hakte Severina sofort nach, unfähig, ihre Neugier zu bezähmen.
»Bin langsam zu alt dafür. Diese koketten Mäuschen wollen einen Jüngling, der im Bett Rekorde schlägt und sich ansonsten von ihnen schurigeln läßt …«
»Sie kommen ja richtig ins Schwärmen, Falco!« Es klang so gereizt, als hätte plötzlich etwas ihren Argwohn angefacht. »Warum können Sie nie offen und ehrlich beim Thema bleiben?«
»Weil mich das langweilt«, gestand ich. »Ist das ehrlich genug?«
Wir prusteten beide los.
Severina saß mit gekreuzten Beinen und hielt den Rücken kerzengerade. Sie war links von mir. Also konnte ich bequem das rechte Knie anwinkeln, als Stütze für meine Becherhand, aber auch, um mich leicht einwärts zu drehen und sie unauffällig zu beobachten.
Sie füllte gerade wieder ihren Becher. »Ich trinke mehr als Sie!«
»Das habe ich schon gemerkt.«
»Sie wollen nüchtern bleiben, damit Sie mir meine Geheimnisse entlocken können …«
»Ich mag geheimnisvolle Frauen …«
»Aber mich mögen Sie nicht! Also hören Sie auf mit den Geschichten! Ich hätte fragen sollen«, begann sie aufs neue ein, wie sie wohl meinte, gewitztes Aushorchmanöver, »ob daheim jemand auf Sie wartet?«
»Nein.« Ich leerte meinen Becher. Dieser kräftige Zug wirkte drastischer als vorgesehen; ich wäre beinahe erstickt.
»Sie setzen mich in Erstaunen!« spottete sie mit leiser Stimme.
Als der Hustenanfall vorbei war, keuchte ich: »Sie hatten neulich ganz recht; ich habe mich übernommen.«
»Ach? Erzählen Sie!«
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Einer von uns beiden sehnt sich danach, seßhaft zu werden und eine Familie zu gründen; der andere mag sich nicht binden.« Severina sah aus, als hätte sie den Witz nicht verstanden. »Frauen sind so wankelmütig!« klagte ich. »Sie scheuen sich vor der Verantwortung …«
»Und wie wollen Sie sie rumkriegen?« Severina spielte jetzt mein Spiel mit, wenn auch auf spöttische Distanz.
»Ich hab so meine Methoden.«
»Ihr Männer seid doch ein verschlagenes Volk!«
»Wenn sie erst mal spitzkriegt, wie toll ich kochen kann und was ich für ein anschmiegsames, liebenswertes Wesen habe, dann wird sie schon weich werden …«
»Hilft Sie Ihnen bei Ihrer Arbeit?«
»Das haben Sie mich schon mal
Weitere Kostenlose Bücher