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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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vorwurfsvoll an. »Was
zum Teufel ist ein Kokainschläfer?«

    »Shit«, sagte White und schlug sich auf die Knie, »immer
diese Spezialisten!« Er lachte. »Ein Kokainschläfer ist ein Mann, der die
Struktur der Szene auf den Kopf stellt. Normalerweise bilden viele Leute eine
Kette. Hersteller, Großverteiler, Schmuggler, Großdealer, mittelstarke Dealer,
Kleindealer, Konsumenten. Beim Schläfer ist das alles etwas anders. Er wird
direkt vom Hersteller beliefert, aber verdammt selten. Er bekommt auch niemals
gebrauchsfertigen Stoff, sondern das reine Konzentrat. Er selbst steht mit
keinem Großverteiler, mit keinem Schmuggler, mit keinem Großdealer und keinem
Kleindealer in Verbindung. Die interessieren ihn überhaupt nicht …«

    »Ach, du lieber Gott.« Grau war erheitert. »Ich beginne
zu begreifen. Das macht Ihnen Kummer, nicht wahr?«

    »Und wie! Das, was sich der Finanzier da ausgedacht hat,
ist teuflisch. Nehmen wir an, London hat kein Kokain mehr oder der angebotene
Stoff ist qualitativ schlecht. Sie können auch Düsseldorf nehmen oder
Stockholm, das ist wurscht. Irgendein Großverteiler fordert per Telefon
Nachschub. Das geht über eine ganze Kette von Telefonaten. Und der Finanzier
kriegt zwangsläufig auch Wind davon. Der ruft nun den Schläfer in Berlin an und
sagt: ›London.‹ Er sagt nur London, sonst gar nichts. Der Schläfer hat ja
genügend Bargeld und Stoff. Er macht einfach eine Sendung fertig und übergibt
sie einem Kurier. Dieser Kurier ist nicht vorbestraft, hat noch nie im Leben
mit Drogen zu tun gehabt und hat keine Ahnung, was er da transportiert. Er
schwingt sich auf ein schnelles Motorrad oder steigt in seinen Porsche, und
London hat kein Problem mehr. Der Schläfer kassiert nicht, er beauftragt bei
jeder Transaktion einen neuen Kurier, er benutzt jedes Mal ein anderes Telefon,
auf keinen Fall sein eigenes. Der Plan ist deshalb so gut, weil er so einfach
ist.«

    »Dieser Schläfer sollte also dieser Ulrich Steeben sein?«

    »Richtig.«

    »Und jetzt ist er futsch. Samt Koks und Dollars.« Grau
lachte.

    »Langsam, langsam. Die Kokainhersteller stimmten dem Plan
zu und beteiligten sich mit fünfzig Prozent. Der Schläfer bekam zehn Millionen
Dollar in bar und fünfzig Pfund hochprozentiges Kokain.«

    »Wie viel wäre das umgerechnet für den Verbraucher?«
    White wiegte bedächtig den Kopf. »Aus diesen fünfzig
Pfund kann man locker zwei Zentner machen, und es wäre immer noch der beste
Stoff in ganz Europa. Der Schläfer soll ja auch durch Qualität glänzen.«

    »Zehn Millionen Dollar, zwei Zentner Koks. Was macht das
insgesamt?«

    »Etwa dreißig Millionen Dollar oder rund fünfzig Millionen
Mark.«

    »Großer Gott, und was sagt die Konkurrenz?«
    »Die hat keine Chance.«

    »Und wenn Steeben eine Leiche ist?«

    »Ich sagte doch: Wir müssen aufräumen.«

    »Wieso eigentlich so viel Bargeld? Wäre es nicht
sicherer, dem Schläfer einige Millionen auf ein ganz normales Bankkonto zu
überweisen?«

    »Sie machen Fortschritte.« White starrte auf die Grasbüschel
zwischen seinen Schuhen. »Drogen bedeuten immer auch Bargeld. Der Schläfer hat
aber außer den zehn Millionen Dollar noch ein perfekt ausgestattetes Bankkonto
mit etwa zwei Millionen Mark. Die zehn Millionen Dollar sollen ausschließlich
dazu dienen, Gegenmaßnahmen der Konkurrenz auszuschalten: zum Beispiel Kokain
aufzukaufen, das die Konkurrenz in den Markt einschleust, Kuriere auszustatten,
irgendwelche Menschen einzukaufen, die man für irgendetwas braucht.«

    »Wer sind diese Konkurrenten?«

    »Alle möglichen Leute. Chinesen aus Amsterdam, die mit
den Triaden, also der Fernost-Mafia, zusammenarbeiten. Japaner. Mafiosi.
Gruppen mit mafiosen Strukturen aus dem Nahen Osten, aus dem ehemaligen
Ostblock, aus Moskau. Die Liste ist endlos. Und? Werden Sie Steeben suchen?«

    »Ich weiß es nicht. Wer ist denn dieser Wunderknabe nun
wirklich?«

    »Er arbeitet als Diplomat für das Auswärtige Amt in Bonn.«
    »Scheiße!«, platzte Grau heraus.

    »Sie haben verstanden«, nickte White befriedigt. »Kann
ich jetzt auf ihn zu sprechen kommen?«

    »Moment mal!« Grau hob abwehrend beide Hände. »Dieser
Steeben ist wirklich in Berlin angekommen? Ist das sicher?«

    »Ja.«

    »Samt Geld und Koks?«

    »Ja.«

    »Woher wissen Sie das so genau?«

    »Ich hatte drei Tandems angesetzt, vier Männer, zwei
Frauen. Sie waren Zeugen.«

    »Und er ist Ihren Leuten entwischt?«

    »Er hat sich samt Fracht in Luft

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