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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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spurlos verschwunden.«

    »Wie war denn der ursprüngliche Plan? Was sollte Steeben
in Berlin tun?«

    »Er sollte noch eine Weile im Hotel bleiben, dann eine
Nobelwohnung am Kurfürstendamm beziehen. Er sollte ganz offiziell den Dienst
quittieren und in Berlin die Rolle eines reichen Sohnes spielen. Ein perfekter
Schläfer.«

    »Was ist, wenn dieser hemmungslose Karrierist sich einfach
nur alles unter den Nagel reißen wollte?«

    White stieß entsetzt den Atem aus. »Grau, bleiben Sie auf
dem Teppich! Uli ist äußerst intelligent, und er hat einen mächtigen Ziehvater.
Sollte er versuchen, Koks und Geld abzuzweigen, wäre er sofort ein toter Mann.
Und das weiß er.«

    »Werde ich auch ein toter Mann sein, wenn ich ihn finde?«

    »Nicht unbedingt. Wenn Ihre Deckung in Ordnung ist,
passiert Ihnen gar nichts. Sie geben mir Bescheid, und wir übernehmen.«

    Grau sah zwei Möwen zu, die sich kreischend dicht über
dem Wasser jagten. »Vielleicht hat jemand aus Ihrer Beschattungscrew einfach
nur nicht dichtgehalten?«

    White schüttelte den Kopf. »Sehr unwahrscheinlich. Die
Babysitter wussten zwar, dass er Geld und Stoff transportiert, aber wie
umfassend die Aktion wirklich war, davon hatten sie keine Ahnung. Außerdem wäre
Plaudern in diesem Fall sehr riskant. Verräter kommen in der Regel nicht einmal
mehr dazu, sich einen Grabstein zu kaufen.«

    »Es gibt immer Narren. Mit und ohne Grabstein. Auf jeden
Fall ist etwas gründlich schiefgegangen. Und das deshalb, weil irgendjemand
etwas wusste, was Sie nicht gewusst haben.«

    »Das ist richtig«, gab White zu. »Was ist? Suchen Sie
Steeben?«

    Ein kleines Passagierschiff zog auf dem Rhein vorbei, es
hieß Domspatz.

    »Sie sind in Schwierigkeiten, okay. Sie sind in großen
Schwierigkeiten, auch okay. Das kann man beheben. Sie wirken fahrig, White.«

    »Das mag ich so an Ihnen, dieses Penetrante. Also gut:
Meine Frau will sich scheiden lassen und meine Sekretärin behauptet, das Kind,
das sie erwartet, stamme von mir.«

    »Haben Ihre Frau und Ihre Sekretärin von der Geschichte
mit Ulrich Steeben gewusst?«

    »Kein Wort, absolut nichts. Das wissen Sie doch, wir Geheimdienstleute
leben kafkaesk, wir müssen unseren Lieben erzählen, dass wir Pizza verkaufen,
während wir irgendwo im Urwald Leute umnieten. Übernehmen Sie den Job?«

    »Wahrscheinlich.«

    »Was heißt hier wahrscheinlich? Trauen Sie mir nicht?«

    »Nicht besonders. Warum sollte ich? Sie stecken in Schwierigkeiten.
Wie lange haben Sie mir hinterherrecherchiert?«

    »Eine Woche«, sagte White fröhlich. »Ich kenne alle Zahlen
Ihrer letzten Kontoauszüge. Ich weiß auch, wie oft Sie ein Bier trinken und wie
viele Kredite Sie aufgenommen haben, wo Sie Ihre Klamotten kaufen, wen Sie
mögen, wen Sie meiden, mit wem Sie schlafen, in welchen Stellungen und wie oft.
Ich weiß so ziemlich alles. Auch von dieser Angie. Sie ist eigentlich nicht
Ihre Kragenweite.«

    Graus Mund war ein harter Strich. »Ich wollte eine gewisse
bürgerliche Sicherheit. Die hat sie mir geschenkt. Geben Sie mir drei Stunden,
wir sehen uns in Godesberg in der Botschaft, okay?«

    White war verwirrt und zog nun mit dem Zeigefinger Linien
in den Sand. »Wieso diese Verzögerung?«

    Grau zog die Nikon, die er immer bei sich trug, aus seinem
Jackett und fotografierte White. Mit dem Autofokus geschah das sehr schnell und
unauffällig. Als Ablenkungsmanöver gab er gleichzeitig ein paar Klischees von
sich. »Ich muss Ihren Worten nachlauschen. Ich will herausfinden, wo die
Stolpersteine liegen.«

    »Sie können mich doch fragen.«

    »Ich will nicht fragen, ich will es herausfinden«,
beharrte Grau.

Ende der Dürre

    Grau ging die Gasse zur Adenauerallee hinauf. Er fühlte sich
leicht, machte sogar ein paar tänzelnde Schritte. Die Sonne stach immer noch
sehr intensiv, und als er sich umdrehte, sah er die Luft über dem Fluss
flimmern.

    Er hob die Hand und schrie: »Bis später!« Es freute ihn, dass
solch auffälliges Gebaren für White peinlich sein musste. Scheißgeheimdienstheinis,
dachte er übermütig. Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, ein
Taxi zu nehmen, aber dann missfiel ihm die Idee, in einem engen Raum
eingesperrt zu sein.

    Grau wanderte in den Hofgarten hinein, er wollte nicht in
die Wohnung zurück. Es war Angies Wohnung, nicht seine, nicht ihre gemeinsame,
es war Angies Wohnung. Er mochte diese Wohnung nicht, er hatte sie nie gemocht.
Sie war immer sauber, immer so unendlich sauber, als käme

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