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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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gleich eine ausländische
Besuchergruppe.

    Er hatte einmal zornig geäußert, die Wohnung sei dank des
Weißen Riesen so keimfrei, dass man die Spiegeleier von den Fliesen neben der
Lokusschüssel essen könnte. Angie war tagelang beleidigt gewesen. Wenn sie
Staub entdeckte, entfernte sie ihn hastig und verschämt und dachte lange
darüber nach, wie sie ihn nur hatte übersehen können.

    Am zweiten oder dritten Tag ihrer Geschichte hatten sie
schön und wild auf einem Bettvorleger im Schlafzimmer miteinander geschlafen.
Danach hatte Angie hastig den Läufer gepackt und ihn in die Waschmaschine gestopft.
Jeden Abend vor dem Zubettgehen ging sie durch die Wohnung und räumte alles an
seinen Platz.

    Grau kam an ein paar Tischchen vorbei, die vor einer Bäckerei
auf dem Gehweg aufgestellt waren. Er suchte sich eins aus, setzte sich,
bestellte einen Kaffee und blinzelte in die Sonne. Er überlegte, ob er
vielleicht ins Kino gehen sollte, um zu entspannen. Nein, kein Kino. Er musste
jetzt Angie informieren, das gehörte in die Rubrik ›faires Verhalten‹. Für den
Bruchteil einer Sekunde wunderte er sich darüber, warum er beim Gedanken an
Angie seit Langem keine Liebe mehr spürte. Zuneigung? Ja, das war es,
Zuneigung, vage Zuneigung bestenfalls.

    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte er Obrang,
einen jungen Kollegen aus der Redaktion. Er winkte Grau zögerlich zu: immer
noch unsicher und atemlos angesichts der Tatsache, dass er für so ein wichtiges
Medium arbeitete.

    Grau gab ihm ein Zeichen. »Du hast doch Interesse an
meinem Wagen, oder?«

    »Klar«, sagte Obrang. »Aber neu ist der mir zu teuer.«

    »Ich versilbere ihn«, sagte Grau. »Ich denke, du solltest
ihn übernehmen. Ich mache dir einen fairen Preis. Sagen wir, fünfzehntausend?«

    Das war geradezu lächerlich, und Obrang wusste das. Er
wollte etwas erwidern, doch Grau ließ ihn nicht zu Wort kommen: »Du solltest aber
den Mund halten. Kann sein, dass ich die Fronten wechsele.«

    Obrang grinste, als hätte er verstanden, was Grau meinte.
»Ich müsste die Bank fragen«, sagte er. »Hast du gekündigt?«

    »Nicht die Spur.« Grau lächelte. »Ich will nur ein
anderes Auto.«

    »Ach so. Andere Marke, was? Ja gut, ich kann fragen …«

    »Du musst schnell fragen«, sagte Grau. »Ich gehe morgen
in Urlaub und will die Karre von der Straße haben. Wenn die Bank grünes Licht
gibt, schicke ich die Papiere einfach an sie. Ist das okay?«

    »Doch«, versicherte Obrang hastig, »sicher ist das okay.
Ich gehe sofort zu dem Kreditfritzen. Fünfzehntausend. Das ist fair. Mach’s
gut, ich melde mich.«

    Grau lächelte und sah Obrang nach. Das besagte Auto war
ein kleiner feuerroter japanischer Zweisitzer, den er mal gekauft hatte, als
gerade die Sonne schien und er mit seinem Leben in Bonn zufrieden war. Es ist
wichtig, dachte er entspannt, den Schnitt schnell und ganz hart zu machen.

    Er schlenderte in Angies Wohnung, er war recht gelassen.
Angie war nicht da. Er rief einen Kollegen bei dpa an. Dieser Mann, Pepe
Jungert, war wahrscheinlich der einzige in Bonn, den Grau als Freund bezeichnen
würde.

    »Es ist so weit«, erklärte Grau. »Kannst du dich um meine
Möbel kümmern?«

    »Du ziehst also aus. Und wohin?«

    »Ich weiß es noch nicht genau. Ich nehme erst einmal einen
Job in Berlin an.«

    »Na dann viel Glück. Und du meldest dich?«

    »Na klar.« Er legte auf und wusste, dass er sich sehr
lange nicht melden würde.

    Er wurde langsam nervös, und als Angie kam, lagen bereits
drei Kippen im Aschenbecher. Sie strahlte und rief: »Nur noch ein paar Stunden
und wir hocken auf Teneriffa.«

    Plötzlich schwieg sie und hielt mitten in der Bewegung
inne. Sie senkte den Kopf, als ahnte sie, was auf sie zukommen würde. Angie
hatte kupferrot gefärbte Haare. Sie war eine schlanke, hübsche Frau mit
durchsichtiger Haut, betont dunklen Augenbrauen und blutrot geschminkten
Lippen. Ihre Bewegungen waren schnell und wirkten unkontrolliert; ihre Hände
waren schmal, lang, sehr weiß und flatterten unentwegt.

    »Angie«, sagte Grau und sah sie dabei nicht an, »unsere
Geschichte ist zu Ende. Ich gehe.«

    Sie stand im Türrahmen und fragte zittrig: »Das ist doch
nicht dein Ernst, oder?«

    Sie ging zum Esstisch und ließ sich auf einen Stuhl
fallen. Päckchen und Plastiktüten polterten zu Boden. Angie kramte zittrig in
ihrer Handtasche, suchte nach Zigaretten, zündete eine an. »Seit wann weißt du
das?« Sie versuchte, das Problem zu

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