Kurier
abgehalten.«
»Gibt es von den beiden eigentlich Fotos?«, fragte Grau.
»Selbstverständlich«, sagte Sundern. »Der stern hat welche, der Spiegel auch.«
»Helga, dann musst du diese Fotos besorgen. Die gehören
mit zu deiner Geschichte.«
»Mach ich, Grau.«
»Na gut. Jetzt würde ich gern zwei, drei Stunden ausspannen.«
Lächelnd ging er mit Meike in sein Zimmer, er fühlte sich
gut, und er zog sie so gemächlich aus, dass sie sagte: »Das musst du noch üben,
Grau, das musst du noch üben.«
Der Mehringplatz ist nahezu kreisrund, sieht man davon
ab, dass die Südseite von der U-Bahn-Station angeschnitten wird. Sundern hatte
den alten Pedra angerufen und um Steebens Leiche gebeten.
Grau postierte Helga Friese und den Kameramann genau
dort, wo die Friedrichstraße auf den Mehringplatz mündet. Dem Kameramann sagte
er, er möge sein Teleobjektiv bemühen und sich bei Regieanweisungen
zurückhalten. »Achten Sie auf die Ausfahrt dort. Das sind achtzig Meter, reicht
das?«
»Das reicht, um jedes Streichholz klar heranzuholen«, behauptete
der Mann.
»Okay. Punkt sechs geht es los. Helga, ihr filmt, aber
geht nicht zu nah ran. Ich arrangiere es so, dass ihr alles zu sehen kriegt. Es
ist die Einfahrt zum Altenheim, und das hat einen Hausmeister. Alles klar?
Also: Filmen, einpacken, abhauen. Nicht hingehen. Ich sorge dafür, dass Ihr
verdammt viele gute Bildchen bekommt.«
Er selbst postierte sich mit Milan etwa in der Mitte zwischen
Helgas Team und dem Altenheim.
Um Punkt sechs Uhr – der Verkehr war erheblich dichter
geworden, die ersten Pendler frequentierten die U-Bahn – rollte ein riesiger
Müllcontainer scheppernd aus der Ausfahrt des Altenheimes bis an den Rand des
Gehsteiges. Geschoben wurde er von einem Mann im blauen Arbeitskittel.
»Das ist der Hausmeister«, sagte Grau. »Er hat noch keine
Ahnung, aber das wird sich schnell ändern!«
Ein junger Mann mit Aktentasche verlangsamte genau auf
Höhe des Containers seine Schritte, tippte dann dem Hausmeister auf die
Schulter und sagte etwas.
»Er erklärt ihm, dass heute kein Müllauto kommt«, kommentierte
Grau. »Der Arme ist ganz verwirrt. Und jetzt! Pass auf, jetzt zeigt er ihm die
Hand!«
»Welche Hand?«, fragte Milan.
»Steebens Hand«, antwortete Grau.
Einen Moment lang war die Szene vollkommen starr. Der
Hausmeister verharrte wie gebannt vor dem Container, und der junge Mann mit der
Aktentasche zeigte scheinbar höchst erschrocken auf den Deckel des etwa
mannshohen Containers. Der Hausmeister gestikulierte wild.
»Der denkt jetzt, dass irgendeiner der Altenheimbewohner
sich verirrt hat«, erklärte Grau gleichmütig.
Jetzt hebelte der Hausmeister den Deckel hoch und sagte irgendetwas
zu dem jungen Mann. Der stellte seine Aktentasche auf den Gehsteig und legte
beide Hände zu einem Tritt zusammen. Der Hausmeister stieg hinauf und sah über
den Rand in den Container.
Grau musterte den Kameramann, der wie versteinert hinter
seinem Sucher stand. »Es klappt«, sagte er dann befriedigt.
Der Hausmeister verschwand im Container. Dann schrie er
etwas. Sie hörten seine schrille Stimme, konnten aber nicht verstehen, was er
schrie. Dann tauchte sein Oberkörper wieder auf. Er hielt etwas sehr Weißes,
etwas sehr Großes fest und versuchte es hochzuhieven. Jetzt konnten sie ihn
deutlich hören: »Polizei! Polizei!«
Der junge Mann griff nach seiner Aktentasche und verschwand
eiligst. Der Hausmeister stemmte Steebens Körper hoch und winkte einer Frau zu,
die etwas zögernd auf ihn zuging und wahrscheinlich vollkommen verblüfft fragte,
was er denn am frühen Morgen in einem Müllcontainer zu suchen habe. Dann sah
sie den Körper auch und schrie. Der Hausmeister brüllte etwas dagegen. Die Frau
war den Bruchteil einer Sekunde lang ganz starr und lief dann zu einer
Telefonzelle.
»Das ist prima«, sagte Milan vergnügt. »Das ist echt klasse.
Sieh mal, wie fleißig der Kameramann dreht. Und die Helga ist so aufgeregt, dass
sie nicht mehr stillstehen kann. Du bist ein Sausack, Grau!«
»Ich bin nur die Speerspitze der Bürgervertretung, die
dem White die Show versaut«, sagte Grau.
Der Hausmeister mühte sich ab, die Leiche über den Rand
des Containers zu wuchten. Anscheinend war sie ihm zu schwer, denn er schnaufte
verzweifelt und sein Gesicht schwoll vor Angstrengung an.
Dann raste das erste Polizeifahrzeug mit Blaulicht und
lauter Sirene heran und bremste neben dem Container auf dem Gehsteig.
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