Kurier
anderen.« Er lächelte.
»Ich erinnere mich da an einen Zeitungsartikel. Irgendwo
im Ruhrgebiet hat die Staatsanwaltschaft bei einer kleinen Filialbank alle
Konten genau unter die Lupe genommen. In nur zwei Stunden entdeckten sie fünf
Millionen Mark Schwarzgelder. Das wurde gehandelt wie ein Skandal, und ich
dachte nur: Die haben doch keine Ahnung, die Arschlöcher. Übrigens haben deine
Kollegen auch keine Ahnung.«
»Man könnte also sagen, dass du hin und wieder Gelder
wäschst?«
»Na sicher doch. Es wäre idiotisch, das abzustreiten. Mein
Gott, Grau, in welcher Welt lebst du denn? Da kommt ein braver Schreinermeister
daher, der seit zehn Jahren ein Schweinegeld verdient, und fragt mich, ob ich
ein günstiges Haus für ihn weiß. Wahrscheinlich habe ich tatsächlich eins und
kaufe es für ihn. Wenn es Schwarzgeld war, bin ich ein Krimineller. So einfach
ist das.
Manche Kunden lehne ich ab, wenn ich weiß, dass sie ausschließlich
Schwarzgeld schieben. Das ist doch der Wahnsinn in diesem kapitalistischen
System, den jeder totschweigt. Die Regierung sagt: Jeder, der mehr als fünfundzwanzigtausend
Mark bei einer Bank einzahlt, muss nachweisen, woher das Geld stammt. Dieser
Nachweis, Grau, ist so lächerlich einfach zu stricken und zu schummeln, dass
Fachleuten schlecht wird. Aber die Regierung erweckt immerhin den Eindruck, sie
ginge forsch gegen organisierte Kriminalität vor.
Ein anderes Beispiel: Wenn ich Kriminalbeamten vom
Wirtschaftsdezernat meine Bankunterlagen vorlegen würde, dann könnten die
absolut nicht unterscheiden, welche Gelder legal und welche illegal sind. Wie
denn auch? Aber wenn sie hören, dass ich mit zehn Millionen Dollar in bar und
fünfzig Pfund Kokain in die Drogenszene einsteige, dann können sie von jeder
Summe, die über meine Konten abgewickelt wird, behaupten, sie sei illegal. Der
Mann auf der Straße würde das mit Wonne glauben – und jedes Gericht auch.«
Grau hockte auf der Kante des Sessels. »Also hat mir
White deinen Namen genannt, mich an dich herangespielt, damit ich die
Aufmerksamkeit aller anderen auf dich lenke?«
»Richtig. Es hat ja auch funktioniert.«
»Dann bist du erledigt, denn es wird genug Dreck am Stecken
zurückbleiben. Du solltest dich lieber eine Weile verdünnisieren.«
Sundern sah ihn aufmerksam an. »Es ist ja nicht das Geld,
Grau. Geld habe ich genug. Ich muss nicht mehr arbeiten, meine Kinder nicht und
meine Enkel auch nicht. Aber mein Leben in Berlin geht dabei kaputt.«
»Das ist ekelhaft«, sagte Grau. »Aber gibst du denn wenigstens
zu, dass du nicht nur harmlos bist, sondern auch eine Art Freibeuter?«
Sundern blickte vor sich hin, sah dann zu ihm hoch und
grinste: »Mein Bundeskanzler mag Freibeuter. Wenn mein Banker in Newport auf
den Bahamas mal zwei Tage keinen Anruf von mir bekommt, leidet er unter Entzug.
Und der ist Kanadier und sehr sachlich.«
»Also gut: Ich kann aber Milan nicht dazu bringen, White
umzulegen und Thelen zu ersäufen. Also, was sollen wir tun? Wie sieht denn
dieser Drogenmarkt hier in Berlin genau aus?«
»Gute Frage. Ich bin in eine Buchhandlung gegangen und
habe ein Sachbuch gekauft, den Welt-Drogenbericht, der nicht von irgendwelchen
Regierungen manipuliert wird.
Also: Wir sind ein Drogenland – wir produzieren die
wichtigsten chemischen Stoffe, die jemand braucht, um Kokain und Heroin
herzustellen. Ein Schwachpunkt ist vor allem die Ex-DDR, weil dort Justiz und
Polizei noch nicht nach westlichen Maßstäben funktionieren.
Das Heroin wird über die Balkanroute nach Europa geschmuggelt.
Seit die sich in Exjugoslawien gegenseitig totschießen, können die Dealer den
Stoff auch bequem über die Türkei, Rumänien, die Slowakei und Ungarn
verschieben.
Monatlich treiben sie dieses Spielchen mit etwa zweihundert
Kilo. Und weil es vor allem Türken sind, die das organisieren, können White und
Thelen unseren Mehmet ganz leicht zu einem Hauptverdächtigen abstempeln.
Jetzt steigen auch zunehmend Russen und Kaukasier in das
Geschäft ein. Angeblich operieren in der Ex-DDR schon dreihundert russische
Gangs. Na ja, und du weißt ja, dass wir jeden Moment damit rechnen, dass dieser
Davidoff hier aufkreuzt.
Das Kokain kommt per Schiff aus Panama und Kolumbien,
manchmal wird das Pulver auch in polnischen Häfen oder irgendwo in Tschechien
von den Fahndern entdeckt.
Weißt du denn, wie viele hierzulande Cannabis rauchen?
Ich kann’s dir sagen: Sie schätzen, dass schlappe vier bis sieben
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