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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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Schnell
nacheinander folgten drei weitere Streifenwagen, dann zwei zivile Fahrzeuge.

    »Lasst uns gehen«, sagte Grau. »Es wird langsam langweilig.«

    »Ich würde Sigrid gern einen Mantel und ein Kleid kaufen«,
sagte Milan gut gelaunt. »Vielleicht auch Schuhe. Sie hat es sich gewünscht und
ich habe doch jetzt viel Geld. Was hältst du davon, wenn ich ihr eine Uhr kaufe
und in den Boden meinen Namen eingraviere?«

    »Das ist toll«, sagte Grau. »Lass dir Quittungen geben,
ich kann die absetzen. Die sollen Arbeitskleidung draufschreiben, die
Amerikaner sind da etwas pingelig.« Er betrachtete noch einmal nachdenklich die
Szene um den Container und murmelte dann: »Der Adler ist gelandet.«

Onkel Hermann spricht wieder aus dem Off

    Es tut mir aufrichtig leid, aber ich muss den Fluss der Handlung
einen Augenblick lang aufhalten.

    Zu Beginn habe ich Ihnen ja schon erzählt, dass die Ereignisse
in Berlin zu einem Untersuchungsausschuss im Bundestag geführt haben. Da die
Idee zu dieser Überprüfung exakt an dem Tag von einem aufrecht wütenden Grünen
geboren wurde, an dem Steebens Leiche im Müllcontainer auftauchte, ist jetzt
gerade der richtige Zeitpunkt, über diesen wahrhaft denkwürdigen Ausschuss zu
berichten.

    Haben Sie die Leichen mitgezählt?

    Da ist zunächst Nase, mit bürgerlichem Namen Erwin
Habdank. Er verbrannte in den Trümmern seines Bauernhauses, hatte sich von
Kokain regelrecht ernährt und war alles in allem ein Mensch, dem niemand
nachtrauerte, außer vielleicht ein paar süchtigen, auf Kokain angewiesenen Zuhältern
und deren Damen. Zusammen mit ihm starben ein gleichaltriger bedeutungsloser
Kumpan sowie ein sehr junger Mann, der angeblich zu den Rechtsextremen zählte.

    Diese letzte Behauptung bestätigte sich nicht, der junge
Mann war vielmehr seit etwa vier Jahren Mitglied der Jungen Union. Er hieß
Arthur Bleicher, genannt Atze.

    Atze war auch der Grund, weshalb Wochen später der
Untersuchungsausschuss die furchtbare Katastrophe im Haus von Nase nur am Rande
erwähnte. Das Ganze wurde unter der Rubrik Rachefeldzug innerhalb der Unterwelt
abgetan, weil zwei zum Ausschuss gehörige CDU-Mitglieder nicht gern über die
Vita des Atze Bleicher sprechen wollten, der etwa drei Monate vor seinem gewaltsamen
Tod mit einer Brandrede unter dem Tenor ›Kampf den Drogen‹ auf einem
Bezirksparteitag begeisterte Aufmerksamkeit erregt hatte.

    Der Ausschuss einigte sich darauf, dass die Brandkatastrophe
am Müritzsee mit den eigentlichen, zur Diskussion und Untersuchung anstehenden
Fragen nichts zu tun habe. Auf diese Weise entkam die CDU einer Blamage, und es
ist sicher, dass die Mitglieder des Ausschusses, die von der FDP gestellt
wurden, das auch so interpretierten, denn die gingen ihrerseits nun dazu über,
bei der Auswahl möglicher Zeugen darauf hinzuweisen, dass der Rechtsanwalt und
Unternehmer Timo Sundern unter keinen Umständen geladen werden könne. Die FDP
konnte zu Recht darauf hoffen, Unterstützung von der CDU zu bekommen.

    Die Liberalen begründeten die Ablehnung des Zeugen
Sundern folgendermaßen: »Wir sind strikt dagegen, diesen Mann hierher zu zitieren.
Nicht weil er möglicherweise in illegale Geschäfte verstrickt ist, sondern weil
sich diese Partei denen besonders verbunden fühlt, die im freien Wettbewerb
stehen. Sundern ist Anwalt, und was auch immer er uns sagen könnte: In den
weitaus meisten Fällen müsste er vollkommen zu Recht die Aussage verweigern,
weil er sonst Klienten und deren persönliche Lebensumstände öffentlich machen
würde. Das verbietet ihm seine Schweigepflicht.«

    Tatsächlich steckte etwas ganz anderes dahinter: Sundern
hatte einer bestimmten Partei der Mitte für den Wahlkampf viel Geld gespendet.

    Von dieser Tatsache wusste auch die SPD, die im Clan des
Sundern ebenfalls eine Gönnerin hatte: Meike Kern. Also konterte die SPD: Wenn
Sundern nicht als Zeuge geladen würde, müsse man auch Meike Kern ausschließen.
Durch ihre Verquickung mit Sundern könne man auf keinen Fall Erhellendes
erwarten, denn schließlich stehe auch sie unter Schweigepflicht, was die
Mandanten ihres Exehemannes betreffe.

    »Außerdem«, so sagte der SPD-Sprecher in einer Aufwallung
moralischer Entrüstung, schmerzlich berührt wie ein Priester, »hat diese junge
Frau jahrelang vollkommen freiwillig in dieser gewalttätigen Umgebung gelebt.
So scheint es nur als zwangsläufige Folge, dass die Gewalt irgendwann
eskalieren musste.

    Im Übrigen wissen alle Mitglieder

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