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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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versachlichen, sie war jetzt eine sehr
praktische Angie, ihr Gesicht ein großes Fragezeichen: Was können wir tun?

    »Ich habe einen neuen Job. Ich gehe wohl weg aus Bonn.«
    »Und wohin?«

    »Das weiß ich noch nicht genau.«

    »Wenn du weggehst … ich meine, was hat denn der Job mit
mir zu tun? Du kannst doch weggehen und trotzdem bei mir bleiben.« Ihr Mund
wirkte wie der eines Clowns.

    »Das geht nicht. Ich fühle mich schon ziemlich lange beschissen.
Ich fühle mich nicht mehr zu Hause bei dir.«
    »Nicht mehr zu Hause?«

    »Nicht mehr zu Hause. Mir ist elend.« Lieber Gott, dachte
er, lass es schnell vorbei sein.

    »Du liebst mich nicht mehr?«

    »Ich glaube, ja.«

    »Seit wann weißt du das?«

    »Seit ein paar Stunden.«

    »Heißt das etwa, dass ich morgen alleine nach Teneriffa
fliegen muss?«

    »Das musst du entscheiden, ich fliege jedenfalls nicht.«
    Sie drückte hastig die Zigarette im Aschenbecher aus. »Hast
du das schon gewusst, als ich dich wegen der Filme im Büro anrief?«

    »Es kam alles sehr plötzlich«, murmelte er entschuldigend.

    »Das sagst du einfach so?« Sie ging immer weiter auf dem
dünnen Eis.

    »Ich muss es dir doch sagen«, verteidigte er sich matt.

    »Wann gehst du? Ich meine …«

    »Jetzt.«

    »Du gehst zu deiner Frau zurück, nicht wahr? Gib es zu!«
    »Nein, das hat mit ihr nichts zu tun.«

    »Ich wusste, dass du eines Tages zurückgehst, ich habe es
immer gewusst!«

    »Darum geht es doch gar nicht. Was soll ich denn bei
meiner Frau?«

    »Ihr geht alle zurück, über kurz oder lang«, sagte sie
schnell.

    »Das ist doch verrückt.« Grau machte eine fahrige Handbewegung,
weil er plötzlich nicht mehr schlucken konnte.

    Dann schnellte sie auf ihrem Stuhl zu ihm herum. Offenbar
hatte sie einen schwachen Punkt in seiner Endgültigkeit entdeckt. »Wieso jetzt?
Hast du irgendwo eine andere? Du hast irgendwo eine andere! Ich wette, du hast
es seit Langem gewusst. Es ist Tanja, nicht wahr? Sag schon, dass es Tanja ist.
Sie war schon immer scharf auf dich, sie wollte …«

    »Nun hör, gottverdammt, mit dem Scheiß auf!«, brüllte
Grau wütend. »Was soll das? Was sollen diese hirnrissigen Verdächtigungen?
Tanja? Du bist verrückt, ich hab nichts mit Tanja. Und …«

    »Sie hat sich doch immer so an dich rangeschmissen!«
Angie schrie jetzt und Tränen strömten über ihr Gesicht. »Bei welcher Frau
steht dein neues Bett? Sag mir doch wenigstens, bei welcher dein Bett steht.«

    »Ich gehe ins Hotel«, murmelte er. »Ist doch auch egal.«

    »Das ist eben nicht egal!«, schrie sie schluchzend. »Ich
habe es gewusst, ich habe es irgendwie gewusst. Wie sagt ihr doch immer, ihr
feinen Leute? Ich bin ja nur die Tippse mit dem halben zweiten Bildungsweg. ›Nach
Gebrauch wegwerfen.‹ Verdammte Scheiße, verdammte Scheiße!« Sie nahm den
Aschenbecher und warf ihn kraftlos durchs Zimmer gegen die Wand.

    »Hau doch ab in irgendein neues Bett. Kann sie über Bücher
diskutieren? Ist sie gebildet? Wahrscheinlich redet sie zwei Stunden lang über
das Schicksal Europas und fickt anschließend ganz toll. So richtig, wie du es
magst.« Ihr Gesicht war verzerrt.

    Grau war aufgestanden und lehnte jetzt am Fenster. Er
starrte auf die Straße hinunter und wartete, dass Angie irgendwie zum Ende kam.
Aber sie hatte noch immer diese wilde Wut in sich, mit der sie sich vor ihrem
Elend versteckte.

    »Da kommt der Herr beschissen und klein an, total kaputt ist
er, der Arme. Ehe kaputt, Existenz kaputt, alles kaputt. Niemand liebt ihn. Ich
gebe ihm ein Bett und alles. Eine Bratkartoffeldame, eine, die deine
Scheißunterhosen in die Waschmaschine steckt. Du … du hast mich ausgenutzt, Grau.«

    »Nein.« Er wehrte sich matt. »Das habe ich nicht.«

    »Du hast gar keinen neuen Job, du hast nur eine neue
Frau!« Sie schrie und schniefte und suchte nach einem Taschentuch. Als sie
keines fand, rannte sie ins Schlafzimmer und kam kurz darauf wieder. Sie wollte
irgendetwas sagen, aber Grau kam ihr zuvor.

    »Du kennst sie nicht«, sagte er.

    »Es gibt sie also doch!«, schrie sie. Ihr Gesicht war rot
angelaufen.

    »Du kennst sie nicht«, wiederholte er. »Und außerdem
spielt das doch gar keine Rolle.«

    »So kommst du mir nicht davon!«, schrie sie. »So nicht!
Du machst hier einfach alles kaputt, verstehst du? Alles machst du kaputt!«
Dann warf sie sich aufs Sofa, verbarg ihr Gesicht in der Armbeuge und weinte
haltlos. Nach ein paar Minuten ebbten die heftigen Schluchzer

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