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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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Wo stehen Taxen?«

    »Am S-Bahnhof. Beweg dich langsam, sonst kann ich dir
nicht folgen. Denk daran, ohne Schatten bist du nix.« Diesmal lächelte er
nicht.

    »Irgendwie ist es absurd«, sagte Grau unwillig.

    »Du bist viel zu erwachsen«, sagte der Kroate. »Und viel
zu deutsch.«

    Grau ging los und schlenderte betont langsam. Der Abend
war angenehm lau, die Sonne tauchte die Schluchten zwischen den Häusern in
rötliches Licht. Zuweilen drehte Grau sich um, sah Milan mit beiden Händen in
den Hosentaschen dahintrotten, schüttelte den Kopf und ging weiter.

    Nur einmal winkte er den Kroaten heran und fragte: »Hast
du auch schon Menschen getötet?«

    »Ja«, sagte Milan einfach. »Ich war im Krieg.«

    »Ich will keine Gewalt«, stellte Grau fest.

    »Du wirst nicht gefragt«, erwiderte Milan trocken.
    »Du redest wie Hector.«

    »Wer ist Hector?«

    Aber Grau war schon weitergegangen. Er nahm ein Taxi und
konnte beobachten, wie Milan ebenfalls eines nahm und ihm folgte. Er stieg am
Ku’damm aus und ging langsam, die Schaufenster inspizierend, Richtung Bahnhof
Zoo. Er überquerte mehrere Male den Damm, nur um amüsiert zu beobachten, wie
Milan sehr geschickt in einem konstanten Abstand von etwa dreißig Metern
folgte. Am Bahnhof kaufte er sich ein Stück Pizza. Dann hockte er sich auf eine
Bank und merkte, wie Milan sich an das andere Ende setzte, um ebenfalls ein
Stück Pizza zu verdrücken.

    »Bahnhof Zoo«, sagte Grau durch die Zähne. »Traumziel
aller Teenies. Du kannst kleine Nutten und Stricher kaufen. Speed, Joints,
Heroin und was das Herz begehrt. Sie essen Spaghetti mit Katzenfutter.«

    »Du kannst auch Prügel kaufen«, sagte Milan. »Ich habe
gehört, du kannst Leute schon für fünfhundert Mark und Spesen kriegen. Sie
morden für dich. Sie kommen aus meinem Land oder aus Polen und sie nennen sich
Söldner. Was machst du jetzt?«

    »Wir gehen zum Savignyplatz. Da gibt es einen Klub, das Memphis. Der Eigentümer ist ein Rechtsanwalt.
Er heißt Sundern, Timo Sundern. Seine Frau heißt Meike Kern, sie ist
wahrscheinlich auch dort. Die beiden sind reich, haben großen Einfluss.«

    »Was willst du von ihnen?«

    »Ein Interview. Ich bin Journalist.«

    »Wenn sie clever sind, schmeißen sie dich raus«, sagte Milan
mit gesenktem Kopf. »Sundern und Kern, ist das okay? Soll ich durch die Kneipen
ziehen und nach ihnen fragen?«

    »Gute Idee. Und komm dann in den Klub, ja? Es ist elf.
Sagen wir, du bist um Mitternacht dort?«

    »Sagen wir, halb zwölf. Es ist nicht gut, wenn du lange allein
bist. Sie werden nicht mit dir sprechen.«

    »Woher weißt du das? Ich bin ein netter Kerl, mit mir
spricht man gern.«

    Milan schüttelte den Kopf. »Mag sein, du bist ein netter
Kerl, aber du störst.«

    Grau stand auf und schlenderte Richtung Breitscheidplatz.
Er fand, dass es noch einen Hauch zu früh war und setzte sich neben der von
Wasser überspülten Plastik, von den Berlinern liebevoll Wasserklops genannt, an
einen kleinen Tisch und bestellte ein Eis.

    Dann tauchte Milan überraschend auf der Treppe auf, die
auf die untere Ebene führte, und ging dicht an ihm vorbei. Er sagte ganz ruhig
und ohne eine erkennbare Spur von Aufregung: »Jemand folgt dir.« Dann setzte er
sich Grau gegenüber, winkte der Bedienung. Er sagte: »Ein kleines gemischtes
Eis bitte.«

    Grau verbarg seinen Mund hinter einem Löffel voll Eis.
»Bist du sicher?«

    »Ganz sicher. Der Mann ist jung, blond. Dreißig, denke
ich, trägt englische Schuhe, teure Schuhe.«

    »Seit wann?«

    »Seit dem Bahnhof. Aber wenn er dort schon war, war er
früher schon an dir dran. Wer weiß, dass du hier bist?«

    »Zwei Leute in Bonn«, sagte Grau. »Du musst dich täuschen.«

    »Keine Täuschung«, hauchte Milan. Sein Eis kam, er bat:
»Kann ich gleich zahlen?«, zahlte, ließ das Eis stehen und verschwand zwischen
den Tischen.

    Grau bezahlte am Tresen. Er versuchte, ein gemächliches
Tempo einzuschlagen, aber es gelang ihm nicht. Er ging schnell hinauf zum Ku’damm
und sah sich aufmerksam um. Er entdeckte weder Milan noch einen dreißigjährigen
Blonden mit englischen Schuhen. Er ging ein ganzes Stück den Ku’damm entlang
und dann durch die Knesebeckstraße zum Savignyplatz hinunter. An der
öffentlichen Toilette kamen zwei sehr junge Mädchen auf ihn zu. Sie hatten
blutrot bemalte Münder, die wie Wunden aussahen.

    »Hast du nicht Lust auf uns? Du kriegst alles, was du
willst und was gut ist. Wir sind richtig toll.«

    »Ich habe

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