Kurier
Ausländer?«, fragte Milan.
»Leute aus Südamerika, sagt man. Hier ist Ihr Bier. Wollen
Sie nicht lieber einen Tisch im Nebenzimmer? Da können Sie gemütlicher essen.«
Grau nickte. »Wollen wir.«
»Jessas«, murmelte Milan. »Das gibt Krach.«
Sie gingen ins Nebenzimmer, wo es ebenfalls von Menschen
nur so wimmelte. Der Wirt wies in eine Ecke. »Der Zweiertisch dort? Ist das
recht?«
»Worum geht es denn bei dieser Entführung?«, fragte Grau.
»Das weiß niemand genau«, erwiderte der Wirt. »Um irgendwelche
Dinge, für die sich unsereins besser nicht interessiert.«
»Das hört sich gut an«, sagte Grau schnell. »Ich bin Journalist.
Ich liebe Geschichten aus der Unterwelt. Würden Sie die Story so erzählen, wie
Sie sie gehört haben? Hilft das Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge, wenn ich
Ihnen eine Tausenddollarnote gebe?« Er hasste diese direkte Anmache, aber es
blieb ihm nichts anderes übrig.
»Tausend Dollar?« Die Stirn des Mannes legte sich in Falten.
»Aber ich weiß nur, was alle anderen auch wissen.«
»Macht nichts«, sagte Grau vergnügt. »Irgendwo muss man
ja anfangen. Hier ist Geld für eine halbe Stunde Ihrer Zeit. Hier ein Stuhl.
Und nun bitte langsam und von Anfang an.«
Der Wirt nahm den Geldschein und knüllte ihn zusammen.
»Das ist zu viel«, protestierte er verwirrt. »Na ja, ich fang mal an.«
»Ich mache mir Notizen«, sagte Grau munter. »Sie haben
nichts dagegen?«
»O nein, warum denn? Viel weiß ich sowieso nicht. Also,
der Sundern ist Anwalt und macht in Immobilien. Er ist ein big shot, wie die Amis sagen, eine große Nummer. Hat jede Menge Firmen
und so. Auch für den Nachtbetrieb hat er ein paar Konzessionen. Ich kenne ihn
gut, er ist wirklich ein guter Typ, knallhart, aber eben ein guter. Auch immer
gut drauf und witzig. Er hat mir meine Genehmigung besorgt, ich weiß also,
wovon ich rede. Er war verheiratet, mit der wilden Meike. Dann haben sie sich
scheiden lassen, aber sie blieb in seinem Betrieb. Warum auch nicht? Er hat
einen Klub. Das Memphis am
Savignyplatz, ein Wahnsinnsding.
Heute um Mitternacht hatte er Meike losgeschickt. Sie sollte
ihm Hemden zum Wechseln holen, ein paar private Dinge eben. Sie fährt also los
in seine Wohnung – sie wohnen nämlich nicht zusammen –, holt das Zeug, und als
sie die Tasche ins Auto lädt, um wieder ins Memphis zu fahren, kommen die und nehmen sie hops. Irgendwelche Leute. Um ein Uhr haben
sie dann im Memphis angerufen und Sundern
gesagt, dass er seine Ex nur wiederkriegt, wenn er ihnen liefert, was sie haben
wollen. Er weiß angeblich nicht, was sie von ihm haben wollen.«
»Diese Leute, diese Entführer, sind aus Südamerika?«, fragte
Grau.
»Sagt man. Einer hat behauptet, die sind aus Peru, und angeblich
ist es eine Supertruppe von den Eingeborenen da. Also Indianer oder was die da
sind.«
»Wo haben die denn die Meike?«, fragte Milan.
»Das weiß kein Mensch«, sagte der Wirt.
»Das ist keine tausend Dollar wert.« Milan schüttelte den
Kopf.
»Wie? Oh, ich brauche das Geld nicht.« Der Wirt fummelte
in der Tasche seiner Lederschürze herum.
»Wir machen tausend Dollar draus, da bin ich sicher«, sagte
Grau schnell. »Beantworten Sie eine Frage: Wie hoch schätzen Sie den Einfluss
von Sundern ein?«
»Also, sehr hoch, würde ich sagen. Du kannst im Nachtbetrieb
in Berlin nichts machen, ohne dass Sundern es fünf Minuten später weiß. Das ist
ganz sicher. Man sagt, er hätte Einfluss bei Beamten und bei Politikern auch.
Eben eine große Nummer.«
»Wo ist er denn jetzt?«, fragte Milan.
»Wahrscheinlich im Memphis. Was weiß ich.«
»Bedeutet das einen Krieg in der Unterwelt?«, fragte
Grau.
»Sicher, sicher.«
»Wenn Sie Sundern kennen, kennen Sie auch seine besten
Freunde. Sundern braucht jetzt Hilfe. Wer wird ihm diese Hilfe geben?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete der Wirt etwas zu schnell.
»Tausend Dollar«, mahnte Milan.
»Seid Ihr Bullen?«
»Haben Bullen tausend Dollar in der Hosentasche?«, fragte
Grau. »Also, wer wird Sundern helfen?«
»Das weiß ich nicht«, wiederholte der Wirt.
»Du weißt es«, knurrte Milan.
Der Kopf des Wirtes neigte sich weit über den Tisch. »Es
kommt nur Mehmet infrage. Mehmet und sein Geronimo.«
»Wo finde ich die denn?«, fragte Grau.
»Mehringdamm, Ecke Bergmannstraße. Mehmet hat ein Lokal
und ein paar Mietshäuser.«
»Wer ist Mehmet?«, fragte Grau.
»Ein Türke. Seit Ewigkeiten hier. Großer
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