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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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bist du viele Minuten lang blind.«

    »Blendgranaten also«, folgerte Grau. »Was ist, wenn so
ein Ding zwischen meinen Beinen hochgeht?«

    »Nicht so gut«, sagte Sigrid betont harmlos. »Heh, krieg
ich einen Schampus?«

    »Sie haben einen ganz kurzen Zünder. Maximal zehn Sekunden.
Du musst also gut aufpassen.« Milan war stolz auf sein Geheimpatent.

    »Verdammt noch mal, ich bin doch kein Stadtguerillero«,
schnaubte Grau. »Was hast du eigentlich vor?«

    »Ich weiß es noch nicht genau, ich muss erst mal sehen«,
antwortete Milan vielsagend.

    »Für jeden einen Hammer, für jeden einen großen und einen
kleinen Schraubenzieher«, sagte Sigrid.

    »Wenn ich mein Glas ausgetrunken habe, sollten wir langsam
mal gehen. Dann könnten wir um sieben Uhr ins Haus. Wie viele Leute hat Mehmet
da?«

    »Wir werden sie nicht zählen«, antwortete Milan.

    »Habt ihr schon oft so was gedreht?«, fragte Grau verwundert.
»Ihr schwatzt so daher, als würdet ihr das jeden Tag machen.«

    »Es ist meine Deutschlandpremiere.« Milan trank aus und
sagte: »Zahlen, bitte.«

    Sie nahmen ein Taxi, und Sigrid nannte ihr Ziel: Ecke Amrumer-
und Seestraße. Sie schwiegen. Es hatte aufgehört zu regnen, der Himmel klarte
auf, Westwind schob die Wolken beiseite, es würde ein heißer Tag werden.

    »Wir sollten heute Abend ganz groß essen gehen«, schlug
Grau vor. »Ich lade euch ein.«

    »Bargeld wäre mir lieber.« Sigrid reagierte schnippisch.
»Ich brauche neue Klamotten. Ich habe nichts mehr zum Anziehen.«

    »Dann gibt es ein Essen und Klamotten«, entschied Grau
souverän.

    »Was machst du, wenn du hier fertig bist?«, fragte Milan.

    »Ich weiß es nicht«, sagte Grau. »Vielleicht gehe ich zu
einer Tageszeitung irgendwo an der polnischen Grenze, vielleicht mache ich auch
ein Jahr Pause. Ich weiß es noch nicht.«

    »Wir sind da«, sagte der Fahrer.

    Sie gingen in die Lütticher Straße hinein.

    »Es sind die Blocks links«, erklärte Milan. »Ziemlich alt
und vergammelt. Hier wohnen viele Arbeitslose, Kinderreiche und so. Kein Geld
da. Achtet da vorne links auf die Einfahrt. Die geht auf den Innenhof. Da
stehen drei Autos mit Leuten drin. Genau davor. Das sind Mehmets Leute.

    Die Parallelstraße ist die Antwerpener. Dort wird es auch
eine Einfahrt geben, da werden auch Leute stehen. Jetzt kommt die Brüsseler,
die nächste nach links und rechts ist die Ostender Straße. Die alten Männer bei
Mehmet haben mir gesagt, dass unser Haus ziemlich genau in der Mitte des Blocks
liegt. Rechts in dieses Tor, bitte.«

    Sie stellten sich unter den Bogen. Es waren nur sehr
wenig Menschen unterwegs, die Straßen lagen still in der Sonne. »Hast du den
Whiskey?«, fragte Milan.

    »Na sicher«, sagte Sigrid und fummelte in einer ihrer Plastiktüten
herum. Sie schraubte die Flasche auf und nahm einen großen Schluck. Einen Teil
schluckte sie hinunter, den Rest spuckte sie aus. Dann drückte sie die Flasche
Milan in die Hand, der dasselbe machte.

    »Warum denn das?«, fragte Grau.

    »Wenn du betrunken bist, machst du niemand Angst«, erklärte
Milan. Er schüttete Sigrid und Grau Whiskey auf die Kleidung. »Leute, die
morgens betrunken nach Hause kommen, sind friedliche Leute. Ihr müsst also viel
lachen, blöde lachen.«

    Es war Malzwhiskey, er roch aufdringlich und scharf, aber
er zauberte einen kleinen, beruhigenden warmen Ball in Graus Bauch.

    »Täubchen, dein Trenchcoat stört mich«, sagte Milan.
»Besser, du ziehst ihn aus, wenn du losgehst.«

    »Wohin geht sie denn?«, fragte Grau nervös.

    »Sei geduldig«, beruhigte ihn Milan. »Sie geht mit ihren
Plastiktüten bis zur Ecke der Ostender Straße. Dort biegt sie links ab und geht
weiter, bis sie zu unserem Haus kommt. Ist die Tür verschlossen, macht sie
Riesenlärm, denn sie ist ja betrunken. Falls Klingeln da sind, wartet sie, bis
jemand ihr aufmacht. Dann geht sie rein. Sie wird so tun, als lebte sie im
Haus, oder gibt vor, Freunde treffen zu wollen. Irgendetwas total Harmloses.«

    »Und wenn sie drin ist?«

    »Macht sie gar nichts«, bestimmte Milan. »Hörst du,
Täubchen, du tust gar nichts! Du suchst dir irgendeine Bleibe, aber du gehst
auf keinen Fall weiter als bis zum zweiten Stock. Irgendjemand wird dich
aufnehmen.«

    »Und dann?« Grau leuchtete der Plan noch nicht ganz ein.

    »Dann läuft die Zeit. Wir haben es jetzt sechs Uhr fünfzig.
Wir gehen um sieben los. Grau, du gehst in das letzte Haus auf der linken Seite
der Lütticher Straße. Irgendwie

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