Kurier
eingekauft und trinken
jetzt ihren Tee. Sie merken sich jedes Gesicht auf immer und ewig. Das ist
wichtig hier.«
»Kann man sie fragen, ob Thelen und White hier waren?«
»Sicher«, sagte Milan. »Lass mich das machen. Bestell einen
Spieß Kebab. Das ist gut hier.« Er schlenderte zu den alten Männern hinüber,
setzte sich zwischen sie und begann auf sie einzureden. Er wirkte dennoch
zurückhaltend, höflich und voller Respekt.
Grau bestellte ein Glas Champagner und sah zu, wie Milan
mit den alten Männern verhandelte und ihnen dann die Fotos zeigte. Es war nicht
zu erkennen, wie sie reagierten. Sie beugten sich höflich und neugierig vor, um
sie zu betrachten, aber sie nickten nicht. Milan steckte die Fotos wieder ein
und redete weiter. Nach etwa zehn Minuten kam er zu Grau zurück.
»Sie waren tatsächlich hier. Mehrere Male. Aber sie waren
Gäste und sie fragten nichts und benahmen sich normal. Wir brauchen jetzt nicht
mehr mit Geronimo oder Mehmet zu reden. Die alten Männer sind sehr traurig, dass
irgendjemand die wilde Meike geholt hat. Sie sagen: Wir wollten, wir wären zu
Hause. Dort würde mit den Entführern einfach kurzer Prozess gemacht.«
»Wo steckt sie denn, die wilde Meike?«
»Sie halten sie in einem Haus an der Ostender Straße gefangen,
etwa in der Mitte, im obersten Stock. Die alten Männer sagen, es sind vier
Männer aus Peru. Sie sind aus Amsterdam hierhergekommen und haben Meike einfach
mitgenommen. Jetzt hocken sie in dem Haus und niemand kann an sie heran.«
»Wieso nicht?«
»Es ist ein besetztes Haus, verstehst du? Voll mit Kids,
die von zu Hause weggelaufen sind, voll mit Pennern und ollen Huren. Die alten
Männer sagen, es sind mehr als hundertzwanzig Leute in dem Haus. Meike sitzt im
vierten Stock in einer kleinen Wohnung.
Sie wollen am Nachmittag verhandeln. Sundern hat zehntausend
Mark ausgesetzt, um das herauszufinden. Mehmet schickte alle seine Leute los.
Sie wissen von der Ostender Straße seit zwei Stunden.«
»Was wollen die Peruaner?«
»Na was wohl? Zehn Millionen Dollar und einen halben Zentner
reines Kokain.« Milan grinste breit.
»Wo ist Sundern?«
»Hier. Man nennt das hier Mehmets Burg. Hinter dem Lokal
ist eine Mietskaserne. Nur Türken. Mehmets Wohnung liegt oben auf dem Dach. Da
ist Sundern jetzt. Aber er kann nichts machen, sie müssen verhandeln. Angeblich
hat er den Leuten in Amsterdam gedroht, er würde vier Leichen zurückschicken.«
»Er kann ihnen das Geld und den Koks geben«, sagte Grau
betulich.
»Kann er nicht«, widersprach Milan. »Er hat keine Ahnung,
wo das Zeug ist. Hast du deine Waffe bei dir?«
»Ja«, gab Grau zu, »ich habe sie eingesteckt. Also: Mehmets
Leute bewachen das Haus?«
»Genau. Es ist ein Block hinter dem Virchow-Klinikum in
Wedding. Uralte Mietskaserne. Weshalb?« Er lächelte schmal.
»Nur so«, sagte Grau. »Denkst du auch darüber nach?«
»Sicher. Über die Dächer geht nicht. Die Dächer sind
steil. Was ist mit Sigrid?«
»Was soll mit Sigrid sein?«
Milan lächelte. »Wir könnten sie brauchen. Es ist sehr
früh, das Haus wird schlafen. Sie könnte die Nachtschwärmer ablenken. Wie eine
Betrunkene, verstehst du?«
»Gut. Und wir?«
»Wir werden sehen«, flüsterte Milan orakelhaft. »Wir sollten
etwas zum Krachmachen haben.«
»Wieso?«
»Moment mal, ich gehe telefonieren.« Er verschwand und
Grau bestellte sich einen Kaffee. Dann kam Milan zurück.
»Sigrid zieht sich rasch was an und kommt mit dem Taxi.
Ich denke, wir machen es so, dass wir uns trennen. Das Haus ist in der Mitte
vom Block auf der Ostender Straße. Du gehst von der Lütticher aus rein, ich
komme über die Nebengebäude. Sigrid versucht es direkt. Sie ist eine Frau, eine
betrunkene Schlampe, sie werden nicht schießen.«
»Dein Wort in Gottes Ohr.« Grau war blass und aufgeregt.
Die Eintrittskarte
»Warten wir auf Sigrid«, sagte Milan.
Sie aßen eine Kleinigkeit und tranken viel Kaffee. Irgendwann
tauchte Sigrid auf. Sie schleppte zwei schwere Plastiktüten. »Ich habe Gerda
gebeten, die Pension zu machen. Ich habe alles dabei.«
»Was hast du denn alles dabei?«, fragte Grau neugierig.
»Krachmacher«, erläuterte Milan. »Es sind so Kanonenschläge,
wie man sie bei euch an Silvester knallen lässt. Ich habe sie selbst gebaut,
auch selbst gewickelt. Sie sind etwas stärker als die Silvesterknaller und sie
schmeißen außerdem einen grellen Blitz. Wenn du sie wirfst, musst du die Augen
zumachen, sonst
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