Kurier
studiert. Wie hat er das hingekriegt?«
Sie zog seinen Kopf an ihre Brüste, und Grau protestierte
erstickt: »Keine Erpressung, bitte.«
»Ich will nur ein bisschen Haut«, sagte sie seltsam klar.
»Er hat anfangs eine Kneipe gehabt. Er träumte von einer Nachtkonzession. Das
bringt Geld, weißt du. Er kriegte das irgendwie hin und er begriff auch sofort,
dass das ein richtiger Beruf sein kann, allerdings ein schwerer.
Er setzte zwei alte, clevere Nutten ein, die ihm den
Laden schmissen und unheimlich viel Kohle machten. Dann hatte er zwei Läden,
danach vier und so weiter. Und weil er ein kluger Kopf ist, ging er studieren.
So fing das an.
In diesen Lokalen lernst du ganz Berlin kennen, weil
jeder mal eine Nacht durchmacht. Sie mögen ihn, sie mögen ihn alle. Na sicher,
es gab Konkurrenz, und das nicht zu knapp. Mehmet war auch mal Konkurrenz, Nase
übrigens auch. Aber Nase blieb irgendwie auf der Strecke, er hat Sundern
zeitlebens gehasst, weil er immer nur hinter ihm herhinkte.
Jetzt ist Sundern der King. Nicht mal Politiker kriegen ihn
aus Berlin raus. Sie wissen: Wenn Sundern den Mund aufmacht, sind sie fällig.
Sundern ist keiner mit einem geheimen Archiv oder so. Was er weiß, weiß er, und
er genießt das. Jetzt ist da mit Markus Schawer, also Steeben, irgendetwas gelaufen,
von dem er vorher nichts hat läuten hören. Er hat gesagt, dass er aufräumt. Und
wenn er das sagt, tut er’s auch.«
»Wo ist diese Mutter, diese alte Hure?«
»Sie trinkt sich langsam zu Tode. Wir haben ihr ein Häuschen
gekauft, vor drei Jahren, oben in der Uckermark. Sundern hat zwei alte Zuhälter
aufgetrieben, die mit ihr hausen, auf sie aufpassen, ihr den Schnaps einkaufen
und gemeinsam von alten Zeiten reden. Das ist der schäbige Rest seiner
Herkunft. – Grau, wann musst du wieder gehen?«
»Na ja, ich denke, so gegen halb vier. Wir nehmen ein Taxi.«
»Dann ist doch noch Zeit, Grau. Können wir kuscheln? Mir
ist so kalt.«
»Aber nicht mehr auf dieser Scheißcouch. Versuchen wir
mal das Schlafzimmer. Ich bin nämlich ein Muster an Hilflosigkeit. Was hattest
du übrigens mit diesem Steeben vor? War das eine ernsthafte Lebensplanung?
Blödsinn, es geht mich nichts an. Vergiss es!«
Sie schlang ihre Beine um seine Hüften. »Es war wirklich
eine Geschäftsidee. Mit Steeben zu schlafen hat mir Angst gemacht. Er war … er
war … er war sehr brutal, es passierte nur einmal. Du musst verstehen, dass er
eine Chance für mich war. Bist du denn eine Chance, Grau?«
»Das weiß ich nicht, schöne Meike, das weiß ich wirklich nicht.
Wieso suchst du nach einer Chance? Eine Chance wozu?«
»Ich weiß es nicht, verdammt. Trinkst du einen Schnaps
mit mir? Einen?«
Grau lächelte. »Klar. Komm, wir nehmen den Kaffee und den
Schnaps mit ins Bett. Ich denke, ich brauche viele Schnäpse, um diesen Nase zu
vergessen. Milan sagt, es hat ihn in Stücke gerissen.«
»Nase war ein Schwein«, sagte sie mit weißem Gesicht. Sie
ließ den Bademantel fallen, ging zum Fenster und zog die Vorhänge zu. Dann
legte sie einen Zeigefinger an die Lippen, lief hinaus ins Wohnzimmer und kam
mit einer weißen Kerze zurück. Sie zündete sie an.
»Weißt du, was ich machen werde?«, fragte Grau. »Ich
rauche normalerweise Pfeife. Ich gehe heute oder morgen los und kaufe Tabak und
Pfeifen. Die Zigaretten machen meinen Magen kaputt. Ich will aber alles
gelassen hinter mich bringen.«
»Kann ich mitkommen? Ich habe so etwas noch nie gekauft.«
Sie lächelte zaghaft.
»Wie, um Himmels willen, bist du auf die Idee gekommen,
ein Immobiliengeschäft mit zehn Millionen Drogen-Dollar und einem halben
Zentner Kokain zu gründen?« Grau stand mit hängenden Schultern vor dem Bett.
»Es klang anfangs wirklich gut«, sagte sie einfach. »Komm
jetzt, ich will nicht mehr über kalten Kaffee reden.«
»Der Kaffee ist nicht kalt«, warnte Grau. »Im Gegenteil,
er ist kochend heiß. Ich möchte mal wissen, ob es diese Dollars und den Stoff
überhaupt gibt.«
»Sicher gibt es die«, sagte Meike und räkelte sich. »Steeben
ist vielleicht nicht ganz große Spitze, aber so dämlich ist er auch nicht. Wenn
er sagt, er bringt es mit, dann hat er es auch mitgebracht. Komm jetzt, Grau,
komm spielen.«
Vielleicht ist sie unersättlich, vielleicht hat sie unglaublich
viele Spielgefährten. Wahrscheinlich. Die wilde, schöne Meike. Ich habe sie
jetzt, an diesem Tag. Sie wird meine Erinnerung sein, eine ewige Erinnerung.
»Du bist schön«, sagte
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