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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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er.

    »Du auch«, sagte sie. »Kannst du das mit deinem Mund noch
mal machen? Kannst du wieder mit dem Mund spazieren gehen?«

    Gegen drei Uhr klopfte Milan ganz vorsichtig und sagte
durch die geschlossene Tür: »Die Helga Friese ist am Telefon. Sie will dich
sprechen.«

    »Her damit«, sagte Grau halblaut.

    Milan kam herein, betrachtete einen Augenblick lang Meike
und gestand sich leise: »Sie ist wirklich schön.«

    Meike räkelte sich, schlief weiter und öffnete und schloss
ein paarmal den Mund wie ein zufriedenes Kind.

    »Okay, Kollegin«, fragte Grau betont geschäftlich. »Was
liegt an?«

    »Also, das ist eine Wahnsinnsgeschichte.« Helga Friese
wippte aufgeregt mit den Zehen. »Erst war ich oben an dem verbrannten
Bauernhaus. Es stimmt, Nase ist tot, und die zwei Leute, die er mitgebracht
hatte, auch. Jemand hat tatsächlich das Haus in die Luft gejagt. Mit Dynamit,
Grau, mit Dynamit, stell dir das mal vor!«

    »Ja, ich stelle es mir vor«, sagte Grau gehorsam. »Und
was ist in der Berliner Drogenszene los?«

    »Merkwürdiges, Grau, Merkwürdiges. Im Präsidium sagen
sie, dass sie die Hintergründe auch nicht so genau kennen. Aber seit ungefähr
zehn Tagen haben sie alle wichtigen Klein- und Großdealer von der Szene
abgefischt. Sie konnten ungefähr zwölf wichtige Leute verhaften, die bis dahin
ziemlich perfekt getarnt lebten.

    Die Bullen sind ganz stolz auf ihren Fischzug, aber sie
wissen auch keine Antwort auf die Frage, weshalb sie plötzlich so erfolgreich
sind. Sie reden sich ein, sie hätten eben einfach eine Glückssträhne. Aber das
Tollste kommt noch, Grau. Weißt du, was das Auswärtige Amt gesagt hat, als ich
mich ganz harmlos nach dem Diplomaten Ulrich Steeben erkundigt habe? Weißt du
das, Grau?« Ihre Stimme klang triumphierend.

    Grau lachte. »Du wirst es mir gleich sagen.«

    »Sie sagten, der sei niemals nach Berlin geflogen. Das
könnten sie beweisen. Sie sagten auch, er hätte nach seiner letzten Tour
europäischen Boden nicht mehr betreten. Er sei wahrscheinlich in Rio de Janeiro.
– Grau, hörst du mir noch zu? – Also, in Rio de Janeiro von irgendwelchen
Straßengangs verschleppt! Sie sagten, er sei von seiner letzten Kuriertour
nicht aus Südamerika zurückgekommen.

    Ha, ha, da habe ich gesagt: ›Und wer, bitte, ist Markus
Schawer in Berlin? Ist das nicht der Steeben?‹ Weißt du, was sie geantwortet
haben: ›Wer ist denn Markus Schawer?‹ – ›Hat Steeben nicht eine Unmenge Dollars
und Kokain transportiert?‹, fragte ich. Und sie entgegneten: ›Wir verweigern
weitere Auskünfte, wir müssen erst abklären, was aus unserem Kurier Steeben in
Rio geworden ist …‹«

    »Moment, Moment«, unterbrach Grau sie grob. »Du rufst sie
morgen noch einmal an. Dann fragst du ganz scheinheilig nach der Kurierpost,
die Ulrich Steeben bei sich hatte. Es waren insgesamt sechs Koffer. Vier davon
waren für das Auswärtige Amt bestimmt. Irgendjemand hat diese vier Koffer mit
schönen Grüßen an den Bundesaußenminister nach Bonn geschickt. Aus Berlin. Frag
sie mal danach. Haben sie nicht auch versucht, dich zum Schweigen zu bringen?«

    Sie lachte ziemlich aufgeregt. »Und wie, Grau. Plötzlich
waren sie sehr freundlich. Sie haben gefragt, ob ich morgen nicht schnell nach
Bonn fliegen könnte. Sie würden mein Ticket bezahlen. Sie würden sich gern mal
persönlich mit mir unterhalten. Ob ich nicht mit einer Veröffentlichung so
lange warten könnte, bis sie mit mir gesprochen haben.

    O Grau, du bist ein Schatz! Die ARD zeigt heute Abend
einen kurzen Beitrag über das explodierte Bauernhaus. Und im Dritten habe ich
eine sehr lange Geschichte. Morgen werde ich versuchen, das Auswärtige Amt
abzuschießen. O Grau, ich liebe dich, ich liebe dich. Was machst du in meiner
Wohnung, geht es euch gut?«

    »Klasse. Wir haben gerade in deinem Bett … eh, wir haben
uns verlustiert, so nennt man das wohl. Wann kommst du denn?«

    »Irgendwann spätabends. Eher kann ich nicht. Grau, ich
werde dich anbeten, solange ich lebe. Das ist ein Hammer, nein, es ist nicht
nur ein Hammer, es ist eine ganze Wagenladung voller Hammer, oder heißt es Hämmer?
Bumst es sich gut in meinem Bett?«

    »Fantastisch«, sagte Grau gut gelaunt. »Pass mal auf. Ich
lege dir anderthalbtausend Dollar auf eines deiner zahlreichen Regale. In ein
Buch. In welches Buch?«

    »Wenn du reinkommst, das Regal rechts. Da liegt Schindlers Liste. Leg es da hinein. Aber
ich brauche es nicht, Grau, ich habe hier aus der

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