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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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die Augen einmal zusammen. Und noch einmal.
    »Sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist, was ich sehe.«
    Sie hatte es Alsberger leise zugeraunt, so leise, dass keiner der
anderen es verstehen konnte.
    »Was denn?« Irritiert schaute er auf den Kalender. »Dieser Spruch? Träume
werden wahr – Corti macht’s möglich? Was
ist denn damit?«
    »Das meine ich nicht!«
    Nun verstand auch er, was sie meinte. An seiner rechten Hand fehlte
ein winzig kleines Detail: der Plastikhandschuh.
    »Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie so in den Sachen hier gewühlt haben?«
    »Ich habe ihn gerade erst ausgezogen«, beteuerte Alsberger. »Es
juckte entsetzlich. Es war einfach nicht zum Aushalten. Sehen Sie, ich habe
schon überall Flecken auf der Hand. Hier, alles ganz rot!«
    »In der Tat, Alsberger«, fauchte sie ihn an, »ich sehe rot!«
    Sie hängte den Kalender wieder an die alte Stelle, drückte die vier
Heftzwecken ganz langsam in die Wand. Und bei jeder Heftzwecke stellte sie sich
vor, es sei eine lange Nadel, die sie durch ein Voodoo-Püppchen stach. Ein
Püppchen, das ganz genauso aussah wie Alsberger.
    »Wir gehen jetzt hier raus und kümmern uns um die Nachbarschaft. Sie
werden dabei Ihre Hände in die Hosentaschen stecken. Wenn Sie hier auch nur
noch einen einzigen Tapser hinterlassen, stoße ich Sie die Treppe runter.«
    Warum hatte Gott sie mit diesem Assistenten bestraft? So viele
Sünden konnte sie gar nicht begangen haben, dass sie das verdient hatte.
    Die Dame, die laut Türschild im ersten Stock lebte, war
offensichtlich nicht zu Hause, genauso wenig wie der Mieter in der
Parterrewohnung.
    »Wir probieren es eins weiter«, entschied Maria.
    Sie hatten gerade das Haus verlassen, als ein Mädchen auf den
Eingang zusteuerte.
    »Zu wem möchten Sie denn?«, fragte Maria.
    »Geht Sie das was an?«, kam es in trotzigem Tonfall zurück.
    Das Mädchen war dunkel gekleidet, von der Statur her schmal und
klein, hatte schwarze kurze Haare, die in allen Richtungen vom Kopf abstanden.
Und an den Rändern war sie ziemlich durchlöchert: Eine Metallkugel glänzte am
linken Nasenflügel, daneben ein silberner Ring. An der Ohrmuschel zog sich dekorativ
eine Reihe winziger Totenköpfe hoch.
    »Wenn Sie zu Frau Rinkner wollen, dann schon.« Maria zog ihren
Dienstausweis hervor. »Mooser, Kripo Heidelberg. Und wer sind Sie?«
    Das Mädchen kam auf Maria zu. »Darf ich mal sehen?«
    Sie streckte die Hand aus.
    Doch statt den Ausweis zu nehmen, stieß sie Maria mit voller Wucht
aus dem Weg. Dann spurtete sie los, die Gasse hoch, wie von einer Meute wilder
Hunde gehetzt.
    Alsberger hatte nur den Bruchteil einer Sekunde gezögert, bevor er
losrannte, dem Mädchen hinterher.
    Maria war zur Seite getaumelt, dann lief auch sie los. An der Ecke
der Gasse angekommen, sah sie das Mädchen durch die Menge jagen. Sie rempelte
die Leute an, schlug Haken wie ein Hase auf der Flucht. Die Menschen blieben
stehen, schimpften.
    Zum Glück war Alsberger deutlich besser in Form als Maria, die Mühe
hatte, die beiden überhaupt im Blick zu behalten. Schon bald war er nur noch
wenige Meter hinter der Flüchtenden.
    Am Universitätsplatz strömte eine Gruppe Japaner aus dem
Käthe-Wohlfahrt-Laden. Alle mit schwarzen Haaren, alle dunkel gekleidet. Das
Mädchen mischte sich unter die Menge und war verschwunden.
    Als Maria ankam, stand Alsberger ratlos da.
    »Scheiße, sie ist weg«, stieß er atemlos hervor.
    Maria hielt sich die stechende Seite. »Sie kann ja nicht weit sein.«
    Vor ihr bauten sich die Japaner im Eingang des Ladens auf und übten
sich im Heidelberger-Touristen-Lächeln, während einer von ihnen den Fotoapparat
zückte.
    »Vielleicht ist sie ins Geschäft gegangen. Sie suchen hier draußen
weiter, Alsberger.«
    Sie bahnte sich einen Weg durch die fröhlich schwatzenden Touristen.
    Als Maria den Laden betrat, war es, als sei sie mit einer
Zeitmaschine einige Monate in die Zukunft katapultiert worden. Hier war
eindeutig nicht mehr Herbst, sondern schon Advent. Wie immer in diesem
Geschäft, egal ob draußen Kirschbäume blühten oder ob es dreißig Grad im
Schatten waren.
    Engelchen, Rentiere und Silberglöckchen – tausende glitzernde
Kleinigkeiten versetzten potenzielle Käufer von einer Minute auf die andere ins
Weihnachtswunderland. Verschlungene Pfade zogen sich über zwei Etagen durch die
alten, holzgetäfelten Räume, vorbei an Holzmännchen aus dem Erzgebirge,
Krippenfiguren, rotbemützten Wichtelmännchen und

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