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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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Schneekugeln.
    Maria ging an einem gigantischen Nussknacker vorbei in den nächsten
Raum, in dem sich Tannenbäume mit Lichterketten munter um die eigene Achse
drehten. Winzlinge im Vergleich zu dem riesigen weißen Plastikbaum im Zentrum
des Ladens, der an die sechs Meter hoch und über und über mit roten und
goldenen Kugeln behängt war.
    Sie schaute sich um, aber in dem Dickicht von drehenden Bäumen und
rotierenden Weihnachtspyramiden konnte sie das Mädchen nirgends entdecken.
    Der Gang führte um den Riesenbaum herum und endete vor einem
lebensgroßen Weihnachtsmann mit rotem Gewand und weißem Wallebart, der
dekorativ einen Treppenabgang verstellte. Maria zwängte sich an ihm vorbei und
versuchte hinunterzuspähen.
    In diesem Moment brach hinter ihr ein Tumult aus. Empörte
Aufschreie, Glas fiel zu Boden und zerbrach.
    »Hey, you fucking bastard«, rief jemand sehr unweihnachtlich.
    Auf der anderen Seite des Riesenbaumes stürmte das Mädchen mit der
schwarzen Jacke in Richtung Ausgang.
    Maria lief los. Sie hatte wohl einfach vergessen, dass sie
inzwischen ein wenig breiter war als vor ein paar Jahren. Vielleicht war auch
der Weihnachtsmann dicker als üblich. Auf jeden Fall rempelte Maria ihn an, er
kippte nach vorn, Richtung Riesenbaum.
    Schreie auf der anderen Seite, man hielt sich entsetzt die Hände vor
den Mund, starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die zu Boden kippende Figur,
die die gigantische weiße Plastiktanne streifte.
    Es klirrte und klimperte. Glaskugeln fielen aus sieben Metern Höhe
zu Boden, Engelchen aus weißen Federn schwebten im Senkflug herab. Über allem
der helle Ton eines silbernen Glöckchens, der langsam verebbte.
    Der Baum hatte unter dem bangen Blick der Kunden bedrohlich hin und
her geschwankt. Ganz langsam kam er wieder zur Ruhe, ein letztes Zittern
durchlief ihn, dann stand er wieder da, ganz so, als habe er elastische
Wurzeln, die bis unter den Universitätsplatz reichten.
    Maria zwängte sich durch die Menschenmenge. Eine Verkäuferin im
Dirndl stellte sich ihr beherzt in den Weg.
    »So geht es ja nun nicht!«
    »Polizei, lassen Sie mich durch!«, rief Maria ihr zu und zog den
Dienstausweis hervor, während sie sich vorbeidrängte.
    Sie kam bis zum Nussknacker. Dann gab es einen Ruck. Das Geräusch
vom zerreißenden Stoff ihrer Jacke, die sich in der hölzernen Faust der
riesigen Figur verfangen hatte. Maria stolperte, fiel hin. Ein stechender
Schmerz fuhr durch ihren Fuß, kleine Sternchen flirrten vor ihren Augen.
    Mühsam rappelte sie sich auf und humpelte zur Tür hinaus, von der
Helligkeit draußen geblendet.
    Als sie alles wieder sehen konnte, erkannte sie in einigen Metern
Entfernung Knecht Alsberger. Er hatte ein Geschenk für sie. Ein Geschenk, das
zappelte und zeterte und an dessen Ohr eine Reihe kleiner silberner Totenköpfe
glänzte.

Gemeinsam einsam
    Das Mädchen saß vor ihr, hatte die Arme auf den Tisch gelegt
und den Kopf darin vergraben. Herzzerreißende Schluchzer waren zu hören.
    Immerhin wussten sie inzwischen, dass sie es mit Clothilde Pettke zu
tun hatten. Laut Ausweis war Clothilde neunzehn, was Maria kaum glauben konnte,
denn das Mädchen sah aus, als wäre sie gerade einmal fünfzehn.
    Die schwarze Jacke, die sie trug, war ihr mindestens drei Nummern zu
groß, den mageren Körper darunter konnte man nur erahnen. Alles unter der Jacke
schätzte Maria auf maximal Größe 34, wenn es denn nicht sogar aus der
Kinderabteilung stammte.
    Nachdem Clothilde Pettke vor dem Laden direkt in Alsbergers Arme
gelaufen war, hatten sie sie in die Polizeidirektion verfrachtet.
    Clothilde Pettke bockte und dachte gar nicht daran, ihnen
irgendetwas zu erzählen, schon gar nicht, warum sie wie von Höllenhunden
gehetzt vor der Polizei davongelaufen war.
    Aber als Maria ihr mitgeteilt hatte, dass Lea Rinkner tot sei, war
es vorbei mit der frechen Fassade. Das Mädchen hatte sie mit großen Augen
angeschaut und ihr unterstellt, sie würde lügen.
    »Leider nicht«, hatte Maria entgegnet. »Sie wurde ermordet. Man hat
sie heute Morgen gefunden.«
    Seitdem weinte Clothilde Pettke. Genauer gesagt seit einer guten
Dreiviertelstunde.
    »Sie haben Lea wohl sehr gerne gemocht?«
    Maria schaute auf den bebenden Körper vor ihr.
    »Wie wäre es mal mit Naseputzen?«, versuchte sie es etwas
praktischer.
    Sie gab Alsberger, der neben ihrem Schreibtisch saß und abwechselnd
auf seinen Schreibblock oder verlegen Löcher in die Luft starrte, ein Zeichen.
    Er suchte in seiner

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