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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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Abwechslung einmal ihm etwas
mitbringen würde.
    »Warte mal einen Moment.«
    Sie orderte eines der knusprigen Hörnchen. Während sie wartete, kam
eine ehemalige Schulfreundin ihrer Tochter zur Tür herein.
    Sie erkundigte sich nach Vera. Alles in bester Ordnung, heuchelte
Maria.
    »Bestellen Sie ihr einen Gruß von mir«, verabschiedete sich die
junge Frau. »Schöner Tag noch.«
    Jörg, der an der Tür gewartet hatte, drehte sich abrupt um und ging
hinaus.
    »Das tut mir jedes Mal in den Ohren weh«, beschwerte er sich, kaum
dass sie draußen waren.
    »Was denn?«
    »Schöner Tag noch! Das heißt: Schönen Tag noch. Grammatikalisch ist das hier wirklich Diaspora.«
    Maria war völlig überrascht. Jörg kam nicht von hier, das wusste sie
ja. Ein Norddeutscher. Aber dass die Norddeutschen die Grammatikpäpste waren,
das hatte sie noch nicht gewusst.
    »Es ist doch nur nett gemeint.«
    »Sicher, aber noch netter wäre es, wenn es sich nicht so grausam
falsch anhören würde. Also, mach es gut, Maria. Ich melde mich noch mal wegen
des Kinos.«
    Wieder ein wohlwollendes Klopfen auf die Schulter. Keine Umarmung,
kein Küsschen auf die Wange. Hatte sie die Pest, oder was?
    Mit schnellen Schritten zog Jörg von dannen.
    Maria schaute ihm hinterher. Schöner Tag noch!
    Zurück in der Abteilung ging sie als Erstes zu Alsberger.
    »Hier, ich habe Ihnen etwas mitgebracht.« Maria hielt ihm die Tüte
hin.
    »Danke.« Er legte sie beiseite, ohne reinzuschauen.
    Seine gute Laune vom Vormittag war dann wohl wirklich nur ein
kleines Zwischenhoch gewesen.
    »Alsberger, ich weiß, dass Sie noch sauer sind. Es wird aber auch
nichts besser, wenn Sie jetzt allen hier mit Ihrer Ich-bin-beleidigt-Nummer auf
die Nerven gehen.«
    »Ich bin nicht beleidigt.«
    »Was dann?«
    »Sie wird wieder auftauchen«, sagte er mit finsterer Miene.
    »Das Mädchen? Ja, das hoffe ich auch. Das hoffen wir wohl alle.«
    »Ich hoffe es nicht, ich weiß es. Sie wird wieder auftauchen. Ganz
bestimmt.«
    »Und warum sind Sie sich da so sicher? Sind Sie jetzt das Orakel von
Heidelberg?«
    »Wenn sie nicht wieder auftaucht«, Alsberger hörte sich an, als gebe
er sein Todesurteil bekannt, »dann werde ich meinen Dienst quittieren.
Freiwillig.«
    »Was soll denn der Quatsch?«
    »Das wäre der Beweis, dass ich unfähig bin.«
    »Alsberger, Sie sind doch nicht verantwortlich dafür, dass das
Mädchen verschwunden ist. Keiner von uns ist auf die Idee gekommen, dass dieser
Verrückte es auf das Kind abgesehen haben könnte.«
    Wenn überhaupt jemand die Verantwortung dafür trug, dann war sie es.
Hades hatte auf Sarah Szeidel gezeigt und direkt daneben zugegriffen, und sie war
nicht einmal ansatzweise auf den Gedanken gekommen, dass so etwas passieren
könnte.
    Alsberger schien ihr gar nicht zuzuhören. »Sie wird zurückkommen«,
sagte er.
    »Frau Mooser?«
    Maria drehte sich um. Ferver stand in der Tür, noch grauer im
Gesicht als sonst.
    »Bitte kommen Sie doch einmal in mein Büro. Herr Lindnar ist da.«
    »Herr Lindnar? Der sitzt unten in der Arrestzelle!«
    »Nein, nicht der Herr
Lindnar. Der Vater des jungen Mannes ist hier. Mit einem Anwalt.«
    Maximilian Lindnar musste nicht viel sagen. Schon wenn man ihn sah,
wusste man, dass er nicht zu den Versagern zählte, zumindest nicht zu den
offiziellen.
    Herr Lindnar war einer der Menschen, die gewohnt waren, alles unter
Kontrolle zu haben, und die sehr, sehr ärgerlich wurden, wenn ihnen das jemand
streitig machte.
    Auf dem dunkelblauen Anzug war nicht die kleinste Fluse zu
entdecken, der Knoten der weinroten Krawatte saß exakt mittig, und die Ärmel
des weißen Hemdes schauten genau den modischen einen Zentimeter unter dem
Jackett hervor, der erlaubt war. Herr Lindnar ließ wissen, dass er eine Firma
in Stuttgart besaß, seine Familie schon seit Generationen einen tadellosen Ruf
habe.
    Während er redete, waberte eine Atmosphäre von Geld und Macht durch
den Raum.
    Der Mitbewohner seines Sohnes habe ihn informiert. Man wisse, was
Karel vorgeworfen werde Das sei völlig absurd. Er sei ein schwieriges Kind, das
streite niemand ab, und doch sei er niemals zu einer solchen Tat fähig.
    Der Anwalt berichtete von Karels instabiler Psyche. Man habe bereits
zu früherer Zeit einen Psychiater konsultiert, Karel suche nach seiner
Identität, was ihm naturgemäß schwerfalle in Abgrenzung vom überaus
erfolgreichen Vater. Eine protrahierte Adoleszentenkrise.
    Jugendliches Streben nach Aufmerksamkeit, das erkläre das

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