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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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oder tun können,
und schließlich hilflos nach der Schwester geklingelt.
    Der Beamte mit dem Foto von Karel Lindnar war schon bei ihr gewesen.
Sarah Szeidel kannte Lindnar nicht.
    Aber für das, was passiert war, musste sie ihn auch nicht kennen. Es
reichte, wenn Lindnar sie kannte, sie irgendwo einmal gesehen hatte. Sarah
Szeidel und ihre Tochter.
    Manche Täter spähten ihre Opfer monatelang vorher aus. Sie wussten,
wo sie arbeiteten, wann sie das Haus verließen, in welchen Hort das Kind
gebracht wurde und wo die Oma wohnte.
    »Wo waren Sie, bevor Sie in die Mensa gegangen sind?«
    Lindnar schwieg.
    »Ich habe Sie etwas gefragt«, herrschte Maria ihn an.
    Von der Zeit her wäre es möglich gewesen: das Kind schnappen,
irgendwohin bringen – oder töten. Die kleine Leiche im Feld zwischen die
Tabakpflanzen zerren. Und dann ab in die Mensa, wo ihn jeder sehen konnte.
    »Ich bin ein bisschen durch die Gegend gelaufen.« Er zögerte.
»Glaube ich.«
    Mengert beugte sich zu ihm, stützte die Hand auf der Rückenlehne des
Stuhls auf.
    »Wo ist das Mädchen? Es wäre besser, wenn Sie uns antworten würden.
Entschieden besser, auch für Sie. Glauben Sie mir.«
    Karel Lindnar hob den Kopf, sodass sein Gesicht das von Mengert fast
berührte.
    »Was haben Sie denn vor? Folter? Das macht sich aber gar nicht gut,
wenn ich blaue Flecken habe. Dann sind Sie Ihren Job los.«
    Er starrte Mengert ins Gesicht, ohne einen Zentimeter
zurückzuweichen.
    »Oder machen Sie das wie die Amis? Waterboarding. Da kann man
hinterher nichts nachweisen, oder?«
    Lindnar spürte wohl genau, dass Mengert so wütend war, dass er am
liebsten zugeschlagen hätte.
    Er provozierte sie, seitdem sie ihn verhörten. Und was wohl am
meisten provozierte, war, dass Karel Lindnar den Eindruck machte, als sei das
alles für ihn ein willkommenes Spiel, als sei er die Hauptperson in einer
Fernsehshow. Statt Kakerlaken im Dschungelcamp ein Verhör bei der Heidelberger
Kripo.
    Maria räusperte sich, Mengert richtete sich wieder auf und trat
zurück.
    »Herr Lindnar, noch einmal: Wo ist Julie Szeidel?«, fragte sie.
    »Ja, wo ist sie?« Karel Lindnar nahm Julies Zeichnung und
betrachtete sie eingehend. »Was soll das da sein?« Er wies auf das
katzenähnliche Wesen. »Sieht aus wie ein Hase. Oder ist das eine Katze? Nein,
ich glaube, das ist keine Katze. Das ist …«
    »Warum tun Sie das?«, unterbrach Maria ihn.
    Scheinbar überrascht sah der junge Mann sie an. »Was denn?«
    »Hier den Idioten spielen. Warum sagen Sie nicht einfach: Ich habe
sie, aber ich werde Ihnen nicht verraten, wo sie ist.«
    Lindnar legte das Blatt wieder hin.
    »Weil ich nicht weiß, wo dieses Mädchen ist. Ich kenne sie nicht,
und ich habe keine Ahnung, wo sie sein könnte. Das habe ich Ihnen schon vor
einer halben Stunde gesagt, aber damit waren Sie ja nicht zufrieden.«
    »Aber Eichendorff mögen Sie schon, nicht wahr?«
    »Soll ich ehrlich sein?«
    »Genau darum geht es hier.«
    »Also gut.« Lindnar lehnte sich zurück. »Ich mag ihn nicht
besonders. Soweit ich das überhaupt beurteilen kann, denn außer diesem einen
Gedicht, dieser ›Mondnacht‹, kenne ich nichts von ihm. Ich hoffe, das enttäuscht
Sie jetzt nicht.«
    »Das ist aber sehr seltsam. Wenn ich jemanden nicht mögen würde,
schriebe ich in meiner Wohnung wohl kaum ein Gedicht von ihm an die Wand.«
    »Es ist ja auch nicht sein Gedicht. Das, was da steht, ist meins.
Ich habe es mir ausgedacht. Eichendorffs Gedicht war nur die Vorlage. Aber
glauben Sie mir, ich war selbst überrascht, dass ich das so gut hinbekommen
habe.«
    »Ist es das, was Sie antreibt? Einmal in irgendetwas gut zu sein?
Und sei es nur darin, anderen Menschen Leid zuzufügen? Der Versager, der auch
einmal etwas können will? Der endlich mal im Mittelpunkt stehen möchte?«
    Es war nur der Bruchteil einer Sekunde, in dem Karel Lindnar es
nicht mehr schaffte, ihr in die Augen zu sehen.
    »Schon deprimierend, was? So intelligent, aber Ihr Studium schaffen
Sie trotzdem nicht. Spricht sich rum, in Ihrer WG weiß man schon Bescheid. Und dann die Frauen.«
    Maria wartete einen Moment, bevor sie weitersprach.
    »Die hübsche Lea gibt Ihnen doch tatsächlich den Laufpass. Und die
Nächste, wie hieß sie noch – Tanja? –, auch. Wie viele waren es denn schon vor
Lea, von denen Sie abserviert wurden? Da staut sich ganz schön was auf, oder?
Im Studium klappt nichts, mit den Frauen klappt es nicht …«
    »Sie sind echt gut.« Lindnar nickte anerkennend.

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